vonSchröder & Kalender 04.11.2010

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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In unserem letzten Begleitschreiben zur üblichen Rechnung erzählten wir den Subskribenten von ›Schröder erzählt‹, dass wir nun seit dreißig Jahren zusammen leben und arbeiten. Jetzt schickte uns der Künstler und Architekt Michael Ruhl, ein Sammler von Objets trouvés aus Herbstein im Vogelsberg, zu diesem Anlass ein Schächtelchen des Winterhilfswerks mit verblichener Abrechnung auf dem Deckel. Für 241,90 Reichsmark hatte die arme Vogelsbergerin Kunstharzblumen für das Winterhilfswerk 1938 verkauft und natürlich auf Heller und Pfennig abgeliefert.

So stolz war sie auf ihre Sammlung, dass sie die leere Schachtel aufhob und als Schatulle für ihren kärglichen Schmuck benutzte: Zwei Stoffblumen, die sie jeden Sonntag im Wechsel an ihr gutes Kleid steckte, wenn sie zur Kirche ging, ein Bronzering mit Glasrubin, eine grüne Holzperlenkette, zwei Eisenknöpfe mit der Punze »Deutsche Mode« und ein Paar Schlüssel, wohl für eine Kassette, in der sie ihre paar Pimperlinge sparte.

Der Vogelsberg und der Spessart gehörten zu den ärmsten Gegenden Hessens, viele junge Frauen verdingten sich als Dienstmädchen in Frankfurt, Mainz oder Wiesbaden. Carl Zuckmayer schreibt in seiner Autobiographie ›Als wär’s ein Stück von mir‹, dass die Dienstmädchen in seinem Mainzer Elternhaus sämtlich aus dem Vogelsberg stammten, wegen ihres Fleisses und ihrer Ehrlichkeit.

Wir waren gerührt von der Fundsache, die Michael uns schickte.

(BK / JS)

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