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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.
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Leider können wir dem Impuls nicht nachgeben, die ignoranten und zuweilen kranken Elogen zu Veiels Film ›Wer, wenn nicht wir‹, einfach zu ignorieren. Denn als Herausgeber und Verleger von Bernward Vespers Romanessay ›Die Reise‹, den Peter Weiss einen »intellektuellen Höhepunkt der Bewegung des Jahres ’68« nannte, haben wir die Verantwortung das Lebensbild und das Werk von Bernward Vesper zu schützen. Heute hat uns der Autor, Komponist und Regisseur Ronald Steckel, ein Freund von Bernward Vesper und Autor in dessen Edition Voltaire, seinen Brief an Andres Veiel gemailt und uns gestattet, diesen hier zu bringen. Der Text spricht für sich selbst.
»Lieber Andres,
…noch ein kommentar zu Deinem film: als erstes gratuliere ich natürlich zu Deinem erfolg! mit dem ersten spielfilm gleich den Alfred-Bauer-Preis zu erringen, das ist wirklich bemerkenswert… mein eindruck war… anders – nicht so gut, ich verliess das kino sehr enttäuscht.Du hast Dir alle mühe gegeben, die zeit & die geschichten nachzuverfolgen, aber irgendwie ist es Dir – in meinen augen – nicht gelungen, das, was wirklich passiert ist, zu erzählen. vielleicht hat es damit zu tun: als wir miteinander sprachen, wusste ich nicht, dass Du das buch von Koenen verfilmen wolltest, das habe ich erst später von Jörg Schröder erfahren – hätte ich es gewusst, hätte ich Dir gesagt: don’t do it! Koenen ist ein renegat, der mann sieht nicht klar, seine darstellung von Vesper et al. entspricht nicht der realität etc. pp. -& wahrscheinlich hätte ich Dir auch gesagt: nimm DIE REISE! – einen besseren text gibt es in diesem zusammenhang nicht (dramaturgie!) – aber ok, es war Koenen – & das, was dabei herausgekommen ist – wie soll ich es sagen: Du hast NICHTS, aber auch GARNICHTS von dem einfangen können, was sich damals wirklich abgespielt hat. die figur Vesper in Deinem film GAB ES SO NICHT. Bernward war vollkommen anders – & da er in meinen augen die wichtigste figur dieser zeit war, ist das besonders traurig. ich erinnere mich, Dir in unserem gespräch mehrfach gesagt zu haben: „der mann war gefährlich, provokant, unberechenbar, superintelligent, superproduktiv, aber kein angenehmer zeitgenosse, man musste immer auf der hut sein…“ etc. & dann führst Du August Diehl, den ich sehr schätze, auf diese lyrisch-larmoyante bahn… das ist furchtbar… & es ist vor allem deswegen auch so schade, weil sehr viel zeit vergehen wird, bevor sich jemand in diesem grossen maßstab dieser zeit & dieser menschen wieder annehmen wird. ich habe viel darüber nachgedacht, wie Dir das passieren konnte – Du hast ja mit vielen unserer generation gesprochen, hast die gesichter gesehen, die geschichten gehört… aber irgendwie reicht das nicht. das KLIMA der epoche, das unkontrollierbare fieber, das uns damals ergriffen hatte & das diese ganzen schönen & schrecklichen eruptionen bewirkte – Du kennst es nicht & Du fühlst es nicht, Du hast es nicht in Deiner seele, es bleibt Dir verschlossen – & das gilt eigentlich für Deine ganze generation & die nachkommenden… es ist ein generationenproblem. das, was damals war, WAR NICHT HARMLOS, es war immer dicht an der grenze zum WAHNSINN, viele von uns, nicht nur Bernward, sind durchgedreht & umgekommen oder verstummt & erstickt – aber Dein film ist harmlos, brav, bieder, „eine laubsägearbeit“… & das hat mich heftig enttäuscht. gern hätte ich Dir anderes, begeistertes geschrieben, lieber Andres, wirklich gern – aber ich denke, Du wirst meine kritik & enttäuschung aushalten. ich muss es Dir einfach sagen, um mein unglücklichsein über Deinen film nicht weiter mit mir herumzutragen… ok, tant pis…
sei herzlich gegrüsst!
von
*R«
Wir haben immer noch die berechtigte Hoffnung: Der Veiel Film wird an der Kinokasse sterben. Langweilig genug ist er ja.
(RS / BK / JS)
Alleine schon diese Hochzeitsszene auf der grünen Wiese. Da kann man sich wirklich nur vor dem Kopp hauen. Nee, nee.