vonSchröder & Kalender 05.08.2013

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in südwestlicher Richtung.

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Neue Nationalgalerie Berlin, Foto: Barbara Kalender

 Die Neue Nationalgalerie wurde 1968 von Mies van der Rohe errichtet. 

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»Die Sammlung der Nationalgalerie zur Kunst des 20. Jahrhunderts umfasst mehr als fünftausend Werke«, erfährt man im Faltblatt des Museums, »Hauptwerke dieser Sammlung wurden und werden in den Jahren 2010 bis 2014 in drei aufeinander folgenden Präsentationen vorgestellt. Nach ›Moderne Zeiten‹ mit einem Überblick über die künstlerischen Tendenzen von 1900 bis 1945 ist nun ›Der geteilte Himmel‹, 1945 bis 1968, mit einem Fokus auf die Kunst der Nachkriegszeit zu sehen. Im Herbst 2013 wird ein dritter Teil folgen mit der Kunst der Jahre 1968 bis 2000.«

 

Skulpturengarten der Neuen Nationalgalerie Berlin, Foto: Barbara Kalender

 

Der Skulpturengarten, mit der berühmten ›Großen Wäscherin‹ von Auguste Renoir ist nur von oben zu besichtigen. Er darf nicht betreten werden, weil sich Steinplatten gelockert haben. »Wann wird das repariert sein?« fragten wir die Frau an der Kasse. »Vielleicht 2030«, meinte sie, »wir leben ja ewig.« Dafür kann man ›Vater Staat‹ von Thomas Schütte sehr nahe kommen, die vier Meter hohe Skulptur steht im Außenbereich der Neuen Nationalgalerie. Die Arme der Figur sind kaum zu erkennen, in den Ärmeln verborgen.

 

Das Konzept der Ausstellung hat uns gefallen, die Hängung ist in allen Räumen unaufdringlich didaktisch. Man betrachtet eben nicht nur die Arbeit des spanischen Weltkünstlers, sondern kann an Harald Metzkes ›Abtransport der sechsarmigen Göttin‹ nachvollziehen, wie das künstlerische Schaffen in Ostdeutschland von Pablo Picassos ›Liegende mit Blumenstrauß‹ beeinflusst wurde. Denn zur Sammlung der Neuen Nationalgalerie gehört seit der deutschen Wiedervereinigung auch die Kunst der DDR aus der Nationalgalerie Ost.

 

Arman, Une cuillère pour papa, une cuillère pour mamon, 1962, Foto: Barbara Kalender

Arman, Une cuillère pour papa, une cuillère pour maman, 1962

 

Schön ist auch die Arman-Assemblage, die wir noch nicht kannten mit dem witzigen Titel ›Ein Löffel für Pappa, ein Löffel für Mama‹. Und angenehm war – neben der Kühle in den Räumen bei 34 °C im Schatten draußen –, dass das Aufsichtspersonal zugänglich und freundlich ist, nicht so muffig wie in anderen vergleichbaren Institutionen. Dabei brauchen die Damen und Herren in den blauen Uniformen starke Nerven, denn die Warnanlagen sind schlecht eingestellt. Will man in der Nähe einer Ecken eine Arbeit etwas näher betrachten, hupt die Alarmanlage. Bei uns hat sie oft gehupt. Wir sprachen eine Aufsichtsdame darauf an, sie meinte: »Ja, da müssen wir noch dran arbeiten, die Anlage muss besser eingestellt werden.« Im Raum ›Double Elvis‹ läuft als Endlosschleife ein Ausschnitt des Films ›Yellow Submarine‹. Der Zeichentrickfilm mit den Figuren des Künstlers Heinz Edelmann und den Songs der Beatles ist ja nett.

 

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=vefJAtG-ZKI[/youtube]

 

Aber hier läuft nur ein Ausschnitt, und wenn man ›All You Need Is Love‹ den ganzen Tag über hört, wird es zur Muzakfolter. Darüber redete auch die Aufsichtsdame im Raum ›Double Elvis‹. Sie erzählte: »Ich höre das noch, wenn ich zu Hause bin. Ein Kollege musste mal den ganzen Tag in diesem Raum stehen. Als er nach der Arbeit das Autoradio anschaltete, lief dort ›All You Need Is Love‹. Da hat er vor Wut fast einen Auffahrunfall verursacht. Die Künstler machen sich gar nicht klar, was dieser Lärm für uns bedeutet. Ganz schlimm ist es im Raum ›Selbstbemalung‹! Der Künstler, der solch ein Videos macht, sollte sich selbst mal einen Tag lang neben sein Werk stellen.«

 

Vostell, Elektronischem dé-coll/age , Foto: Barbara Kalender

 

Sehr heftig rappelt, scheppert, kratzt und kreischt es auch in Vostells ›Elektronischem dé-coll/age HAPPENING RAUM E. d. H. R.‹, 1968 – 1982. Der Künstler hat diese Installation auf einem Glasscherbenteppich von der Geresheimer Glashütte in Düsseldorf aufgebaut. Sie wird durch Lichtschranken gesteuert und bewegt sich, wenn man sie umrundet. Aus konservatorischen Gründen (und zur Freude des Personals) wird der ›Happening Raum‹ nur fünf Minuten angestellt: Dienstags bis Freitags um 12 Uhr, Samstags und Sonntags um 16 Uhr. Dann aber rumort es dort wie auf einer Geisterbahn aus den frühen Jahren der Television.

 

Vostell, Elektronischem dé-coll/age , Foto: Barbara Kalender

 

 

Im Raum ›4. Juni ’68‹ entdeckten wir in der Vitrine die Originalausgabe von Valerie Solanas ›Manifesto‹. Ihr Buch erschien ein Jahr später im März Verlag unter dem Titel ›Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer‹. Valerie schoss am 3. Juni 1968 auf Andy Warhol.

Valerie Solanas, Neue Nationalgalerie, Foto: Barbara KalenderAlle Fotos Copyright Barbara Kalender

 

Für diejenigen, welche die Ausstellung nicht besuchen können, gibt es sechs Minuten vom ›Geteilten Himmel‹.

 

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Ud5QYg8e7SI[/youtube]

 

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Der 2. Teil der Sammlung der Nationalgalerie ist noch bis zum 8. September 2013 zu sehen. Im November werden wir uns den 3. Teil ansehen, dann werden Werke von 1968 bis 2000 gezeigt.

 

 

 

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(BK / JS)

 

 

 

 

 

 

 

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