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Es ist dunkel. Heute sahen wir den Bären nicht flattern, er nimmt vermutlich kurz vor Weihnachten ein Bad.
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Die Steglitzer Schloßstraße ist die zweitwichtigste Einkaufsmeile des Westens mit zahlreichen Geschäften und dem ›Naturkaufhaus‹, das seinem biederen Namen alle Ehre macht. Es gibt vier große Einkaufscenter: ›Das Schloss‹, ›Forum Steglitz‹, ›Boulevard Berlin‹ und das neue ›Schloss-Straßen-Center‹, dazwischen alle Läden, die das Konsumherz begehrt.
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Das Boulevard mit der denkmalgeschützten Fassade des abgerissenen Kaufhauses Wertheim.
Auf der Schloßstraße kauften wir Ende der 70er Jahre in einem Delikatessenladen den Roquefort noch vom dicken runden Laib. Die Straße war damals eine der interessantesten Westberlins mit ihren Läden, Bäckereien, Antiquitätengeschäften und Kaufhäusern. Um die Jahrhundertwende war sie dann in die Jahre gekommen, alles strömte nach Mitte.
Anfangs wusste noch niemand, dass der hässliche Hochhausbau, der »Kreisel«,nur ein paar Meter vom alten Steglitzer Rathaus entfernt, ein von Asbest kontaminiertes Monstrum ist. Heute ist es das Fanal der Berliner Subventions- und Durchstecherfilzes und steht grau und dunkel mit abstoßend blinden Fensterhöhlen neben den üppig beleuchtenden Fassaden. Im Prinzip müsste man die Architektin und die zuständigen Senatsfritzen nachträglich zu 14 Tagen Erlebnisurlaub in diesem Horrorgebäude verurteilen, damit sie am eigenen Leibe verspüren, was es heißt, die Gegend zu verpesten und zu verschandeln.
Schwamm drüber – Weihnachtsfrieden! Denn gleich gegenüber dem von der Dunkelheit gnädig verschluckten Kreisel leuchtet das alte Rathaus Steglitz und rechts und links ›Das Schloß‹.
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Rathaus Steglitz. Alle Fotos: Barbara Kalender
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(BK / JS)
Die Formulierung „Alter Westen“ verstehe ich nicht wirklich. Kann sein, dass das daran liegt, dass ich im geografisch gesehen westlichen Teil von Berlin lebe. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich jung bin und mit den Ost-West-Prägungen erst als Erwachsener wirklich konfrontiert wurde. Vorher gabe es für mich nur Berlin.
Heute gibt es da neben anderen Zuschreibungen den „Alten Westen“ – worauf immer sich das bezieht, aufs Ende des 19. Jahrhunderts und die Weimarer Republik, wo der Ku’Damm im Mode kam und aus der Schloßstraße nach und nach mehr Einkaufsstraße wurde? Auf die Nachkriegszeit im geteilten Berlin, wo der im Durchschnitt wachsende wirtschaftliche Wohlstand der BRD, namentlich Wirtschaftswunder, sich in Großläden wie dem heute überfallenen „Kaufhaus des Westens“ auszudrücken schien?
Irgendwie mag ich das nicht, das Manifestieren veralteter Grenzen in Berlin, die zum Teil nachvollziehbaren Interessen der InhaberInnen von Arbeitsplätzen in der Berliner Tourismusbranche mal ausgenommen. Ich sehe es lieber, wenn ehemals vorübergehend Getrenntes weiter zusammenwächst. Ich lebe in ganz Berlin!