vonSchröder & Kalender 30.03.2015

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert wieder nicht. Warum? Fragen wir die Fahnenhisser vom Schöneberger Rathaus.
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Er ist ein sehr großer Mann auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, also nimmt er sich entsprechend wichtig. Ständig plant er etwas Neues: kippt sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf, lernt chinesisch – Kunststück, seine Frau ist Chinesin –, isst kein Fleisch und wenn doch, dann nur von Tieren, die er selbst getötet hat. Aber wie allen durchgeknallten Diktatoren reicht es auch dem Gründer des Netzwerkes nicht, für sich allein den persönlichen Hobbys zu frönen. Gegenwärtig hat er das Lesen entdeckt. Ganz toll, noch nie gehört! Mark Zuckerberg liest tatsächlich Bücher und diskutiert darüber auf Facebook mit seinem Gefolge. Der erste Hauptvorschlagsband des selbst ernannten Lesegurus ist ›The End of Power‹ von Moisés Naím. Das Buch handelt davon, wie im Zeitalter des Digitalen viele Kleine die Großen besiegen, also eine Art Sklavenaufstand der Nutzer von Facebook oder Twitter gegen ihre digitalen Zwingherren. Das krasse Gegenteil der Realität. Na ja, Logik braucht solch ein Märchen ohnehin nicht, sonst wäre es keins.

Facebook

Tatsächlich geht es natürlich nicht ums Lesen, sondern wie immer einzig und allein um Profit. Denn Zuckerberg hat den Verlagen vorgeschlagen, doch die Werbung für ihre Titel gleich auf Facebook-Seiten zu stellen. So könnten sie die Kosten für eine eigene Homepage sparen und ihren Umsatz verbessern, weil die Bücher dann ja von vielen »Freunden« gekauft werden. Eine listige Attacke gegen Amazon, natürlich wird später Facebook so wie Amazon Rabatte verlangen. Umsonst ist nur der Tod der Literatur.

Denn wenn erst einmal sämtliche Bücher der Welt bei Facebook angezeigt werden, können die Kalifornier unliebsame Werke, nach und nach von ihren Werbeseiten verdrängen. Womit wir dann bei einer weltweiten Zensur angelangt wären, und das letzte Paradies des freien Denkens und Schreibens in Büchern zwischen zwei Deckeln wäre dahin.

Wir stehen mitten drin in der vierten industriellen Revolution, und ihr gefährlichster Antreiber ist Facebook. Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Welt verwischen sich und werden bald fallen. Es geht um die Ausspähung sämtlicher Lebensäußerungen von Menschen, die ein Smartphone oder andere digitale Techniken benutzen vom Fernseher, über die Videokamera, das Auto, den Kühlschrank bis hin zur Zahnbürste.

Das alles pflegt Mr. Zuckerberg wie zum Hohn auch noch mit Anstand und Moral zu dekorieren. Nachdem uns klar geworden war, welche Pläne dieser Big-Brother-Apostel im Schilde führt, beschlossen wir, ihm mal richtig auf den Zahn zu fühlen. Es begann im Winter 2012, da hatte nämlich seine älteste Schwester Randi ein Foto auf ihre Facebook-Seite gestellt, darauf sieht man drei Frauen und einen Mann mit Glatze, wie sie um eine große Kochinsel herum stehen und mit weit aufgerissenen Mündern auf ihre Mobiltelefone starren. Im Hintergrund lehnt Mark Zuckerberg an einem Küchenschrank und beobachtet gelassen die Szene. Es ist kein professionelles Foto, eben eines dieser heiter gemeinten Schnappschüsse, denn Menschen mit aufgerissenen Mündern sehen nun mal nicht attraktiv aus, tatsächlich sogar ein bisschen dämlich. Egal, Grimassen gehören zu den beliebtesten Motiven der Aberbillionen Bilder seit Erfindung der Fotografie.

Jedenfalls hatte Randi der Schnappschuss wohl gefallen, denn sie veröffentlichte diesen auf ihrer Seite und schrieb dazu: Alle Personen hätten gerade begeistert eine neue Facebook-Funktion ausprobiert. Doch sie vergaß, den »Privatsphäre«-Button anzuklicken, so konnte die Twitter-Managerin Callie Schweitzer das Küchenfoto an ihre vierzigtausend Kontakte senden, worauf Mark Zuckerberg ihr per Mail und Twitter eine Standpauke über digitale Etikette hielt: »Frage immer um Erlaubnis, bevor du das Foto eines Freundes öffentlich ins Netz stellst. Es geht nicht um Privatsphäre-Einstellungen, sondern um Anstand.«

(wird morgen fortgesetzt)
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(BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2015/03/30/ihr-habt-es-in-der-hand-1/

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kommentare

  • Ja, so sind sie die Scheinheiligen. Haben stets eine doppelte Moral und sind somit stets auf der guten Seite der Medaille.

    Andererseits sind solche Aktivitäten auch ein Zeichen dafür, dass das Primärgeschäft an seine Grenzen gelangt ist. Doch so gut wie der Junge gepolstert ist, kann er noch lange mit dekadenter Attitüde über das Ende der Macht schwafeln.

    Bin schon auf die Fortsetzung der Story gespannt.

    Servus Matthias

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