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Die Fahne auf dem Schöneberger Rathaus fehlt immer noch.
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Informieren? Dreister geht es nicht! Jeder Nutzer kann sehen, wie aggressiv Facebook sein Werbegeschäft ausbeutet, aber dann erzählt ihnen COO Sheryl Sandberg, also die Geschäftsführerin des Konzerns, dass seine eins Komma fünfunddreißig Milliarden Nutzer dem Netzwerk einen »zusätzlichen Umsatz von zweihundertsiebenundzwanzig Milliarden Dollar verdanken«.
Zusätzlich ist dieser Umsatz sicher nicht. Vielmehr hat sich das Konsumverhalten der Verbraucher dramatisch verändert, entsprechend natürlich die Produktions- und Distributionsverhältnisse. Neue Branchen prosperieren oder wachsen übertrieben, andere sterben oder krebsen vor sich hin, und natürlich hypertrophieren die Finanzmärkte im Turbokapitalismus. Die digitale Revolution hat viel dazu beigetragen. Aber zweihundertsiebenundzwanzig Milliarden Dollar zusätzlicher Überschüsse, die Facebook für seine Nutzer erwirtschaftet haben will, sind nichts als ein Taschenspielertrick, bei dem ihnen mit der einen Hand gegeben wird, was die andere nimmt. Die mikro- und makroökonomischen Oszillationsmodelle und das berühmte Schweinebeispiel funktionieren immer noch. Das lernt jeder Ökonomiestudent im ersten Semester.
Hier liegt das Problem: Erzähl den Leuten, sie werden einen großen wirtschaftlichen Vorteil haben und sie verkaufen dem Teufel ihre Seele – die ist nach meinem Verständnis nichts anderes als ihre private Identität. Die große Frage ist, werden Menschen und Unternehmen auf die Danaergeschenke von Facebook verzichten, um dafür wieder eine gewisse Würde einzutauschen? Denn selbst mit dem Tod will das asoziale Netzwerk jetzt noch Geld verdienen. Seit neuestem können Facebook-Accounts vererbt werden, man muss lediglich einen »Nachlasskontrakt« abschließen und einen Nutzers zum Nachlassverwalter bestimmen. Der wiederum stellt einen »Antrag auf Herstellung des Gedenkzustandes« und kann danach die Seite verändern, also unliebsame Texte oder Kommentare löschen. Unter dem Namen des Verstorbenen erscheint das Wort »Remembering«. Der groteskeste Friedhof aller Zeiten!
Der globale Infantilismus von Facebook ist bisher unbesungen und vermutlich nicht zu übertreffen. Selbst Evelyn Waugh müsste sich mit seinem Buch ›The Loved One‹, das in Deutschland unter dem Titel ›Tod in Hollywood‹ erschien, geschlagen geben. Mit dieser bissigen Satire auf die amerikanische Bestattungsgebräuche, mit den Begräbnisunternehmungen ›Whispering Glades‹, also ›flüsternde Haine‹ und ›Happier Hunting Grounds‹, also ›glücklichere Jagdgründe‹, löste er wegen seiner Kritik am Infantilismus in allen Bereichen des amerikanischen Lebens eine heftige Kontroverse in den USA aus.
Bei unserer Recherche stießen wir auf die abstrusesten Informationen zum Beispiel auf die Werbung eines Schweizer Service namens »Facebook Professional«, welcher anbot, die Impressumspflicht für Facebook und andere Netzwerke zu erledigen, und der dem Kunden einfach mal so fünfhundert neue Facebook-Freunde schenken will, Kostenpunkt nur 487,00 Euro. Ein anderer Vogel nannte sich »Facebook Mittelstand« und bietet seinen Klienten für einen ähnlichen Service natürlich auch fünfhundert neue Facebook-Freunde an, dazu aber noch Tausend Follower für das Twitter-Portal – »mit Winterrabatt«.
Auf solche gekauften Freunde kann man doch verzichten! Und erst recht möchte man mit einem Ramschladen, in dem so etwas möglich ist, nichts zu tun haben. Das verstößt gegen jede Logik des individuellen Raums und ist geradezu eine Perversion des Begriffes »Freundschaft«.
(wird morgen fortgesetzt)
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(BK / JS)