vonSchröder & Kalender 07.04.2015

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Seit 9:30 Uhr flattert der Bär östlicher Richtung.
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Die Perversion lässt sich immer weiter steigern. Ausgerechnet Facebook will jetzt zwischen Wahrheit und Lüge trennen. Das heißt, die Mitglieder sollen nicht mehr nur »liken«, sondern in Wort und Schrift genau mitteilen, was sie bei anderen Nutzern geschmacklos, pornografisch, anti- und phob und unsatirisch finden. Alles in allem die ganz große private Zensur-Nummer? Der Shitstorm jeder gegen jeden, die Häme als Lustprinzip, Digitalfaschismus.

 

Facebook

Eins Komma fünfunddreißig Milliarden empörte Fliegen können nicht irren. Hinzu kommen die Plappermedien WhatsApp und Messanger, bombastisch »Nachrichtendienste« genannt. Tatsächlich sind es Kommunikationsdienste, mit denen die Nutzer sich gegenseitig mitteilen, wo sie sich gerade befinden, was sie tun oder eben nicht tun. Siebenhundert Millionen Nutzer verschicken mit WhatsApp mindestens einmal im Monat eine Nachricht. Bei Messanger läuft es ähnlich, diese beiden Dienste gehören inzwischen zu Facebook, arbeiten jedoch eigenständig und konkurrieren hart, welcher als erster die Nutzermilliarde erreichen wird. Dazu kommt noch die Foto- und Blog-Plattform Instagram, die auch zum Konzern gehört, und neuerdings der Werbedienst Atlas, mit dem Zuckerberg Google die Marktführerschaft im Online-Anzeigenmarkt streitig machen will. Man kann also davon ausgehen, dass der Facebook-Konzern in Kürze mit seinen fünf Plattformen insgesamt drei Milliarden Nutzer haben wird.

Auf dem Spaceship Earth leben gegenwärtig sieben Komma drei Milliarden Menschen, fast die Hälfte der erwachsenen Weltbürger sind bald Facebook-Nutzer. Es scheint, dass Mark Zuckerberg sein größenwahnsinniges Ziel, dass jeder erwachsene Erdenbürger Facebook-Nutzer sein muss, in Kürze erreicht haben wird. Ach, vermutlich hat er auch schon ein Kommunikationsprogramm für Babys und Kleinkinder in seiner Datenbratröhre – BabyApp – von der Wiege bis zur Bahre.

Denkt man das alles zu Ende, bleibt uns nur die Datendiät. Ganz kann man sich dem World-Wide-Web ja heutzutage nicht entziehen, schließlich wird vieles nur noch online erledigt: alle Bankgeschäfte, Telefonrechnungen können nur noch online abgerufen werden; Reisen sind billiger, wenn man online bucht; Briefe werden fast nur noch elektronisch gesendet und so weiter. Jedoch, soziale Netzwerke sollte man unbedingt meiden.

Aber selbst davor warnen Eric Schmidt von Google und Jared Cohen in ihrem Buch ›The New Digital Age‹: »Regierungen könnten der Meinung sein, dass es zu riskant ist, Bürger außerhalb des Netzes zu haben, abgelöst vom technologischen Ökosystem. Ohne Zweifel werden auch in der Zukunft Menschen sich weigern, an Technologien anzupassen und sie zu benutzen, Menschen, die nichts mit virtuellen Profilen zu tun haben wollen, Online-Systemen oder Smartphones. Eine Regierung könnte glauben, dass Menschen, die vollständig aussteigen, etwas zu verbergen haben und deshalb eher Gesetze brechen könnten; als eine Maßnahme der Terrorismusabwehr könnten Regierungen eine Art ›Verborgene-Menschen‹-Register erstellen.«

Wenn also nicht einmal Verweigerung hilft, was gedenken dann unsere Volksvertreter gegen die Gedankenpolizei und die Ausspähungspest zu tun? Offenbar gar nichts, außer dumm oder eiweich um das Thema herum zu reden. Als US-Präsident Barak Obama die Bundeskanzlerin in Berlin besuchte, war erst wenige Tage vorher die massive Überwachung von Internet- und Telefondaten durch den NSA ans Licht gekommen. Wer erinnert sich nicht an den sagenhaft dumpfen Satz, den Angela Merkel damals sagte: »Das Internet ist für uns alle Neuland.« Aber die Kanzlerin ist ja nicht dumm, sie gibt sich nur so.

(wird morgen fortgesetzt)
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(BK / JS)

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