vonSchröder & Kalender 25.02.2018

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

***
Der Bär flattert in südlicher Richtung.
***

Die Abenteuerin Isabelle Eberhardt ist eine der großen Außenseiterinnen der Literatur. Schon als Kind weigerte sie sich Mädchenkleider zu tragen, lernte Arabisch und durchstreifte später in Männerkleidern den Maghreb und die Sahara. Sie trat zum Islam über, lebte promiskuitiv bei den nordafrikanischen Beduinen und heiratete dann einen algerischen Leutnant der französischen Kolonialtruppen.

Über ihre Reisen schrieb sie Romane, Erzählungen, Reiseberichte und führte Tagebuch. Nach einem Wolkenbruch, der Isabelle Eberhardt in der Wüste überraschte, ertrank sie in den Fluten, die ihre Lehmhütte mitgerissen hatten.

Hans Christoph Buch schreibt über die ›Sandmeere‹ in seinem Vorwort zu ›Sandmeere‹: »Isabelle Eberhardt verwirklichte für sich die alte Forderung der russischen Narodniki: nicht über das Volk zu reden, sondern mit dem Volk. Dabei bleibt sie stets sich selber treu, ohne sich kompromißlerisch den herrschenden Vorurteilen anzupassen: »das Volk« ist für sie nicht die dumpfe Masse der biederen Bürger, sondern die von jenen methodisch diffamierten und kriminalisierten Randgruppen der Kolonialgesellschaft, Parias wie sie selbst: Sträflinge und Prostituierte, Legionäre und Spahis, Nomaden und Negersklaven. An der Stelle der Hoffnung auf revolutionäre Veränderung aber tritt bei Isabelle die fatalistische Hinnahme des Schicksals, wie sie der Koran lehrt, ein Skeptizismus, der um die Vergeblichkeit aller menschlichen Bemühungen weiß: soziales Mitleid mit den Opfern der Gesellschaft steht so unverbunden neben stoischem Gleichmut angesichts des kolonialen Elends, der als elitär oder gar rassistisch mißdeutet werden könnte; derartigen Mißverständnissen hat sich Isabelle schutzlos ausgeliefert. Indem sie das unwirtlichste Terrain der Erde, die Wüste, zum Schauplatz ihrer Selbstverwirklichung macht, erreicht sie ein übersteigertes Sendungsbewußtsein, das immer dann in melancholische Depressionen umschlägt, wenn der erhoffte Erfolg ausbleibt: Triumphe, die die bürgerliche Gesellschaft, gegen die sie erkämpft wurden, nicht zur Kenntnis nimmt, sind keine.«

Eberhardt, Isabelle: ›Sandmeere‹. Sämtliche Werke in vier Bänden: ›Tagwerke‹, ›Im heißen Schatten des Islam‹, ›Notizen von Unterwegs‹, ›Vergessenssucher‹ und ›Islamische Blätter‹. Herausgegeben von Christian Bouqueret. Mit einem Vorwort von Hans Christoph Buch. Aus dem Französischen von Grete Osterwald. Originaltitel der Ausgaben: ›Mes Journaliers‹, ›Dans l’ombre chaude de l’Islam‹, ›Notes de route‹, ›Au pays des sables‹, ›Pages d’Islam‹. Vier Leinenbände im Schuber, 1.368 Seiten. Schuberetiketten: Typografie von Jörg Schröder mit einem Foto von Isabelle Eberhardt. März Verlag, Berlin und Schlechtenwegen 1981


***


***

***

***


***


***


***

***

(IE / BK / JS)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2018/02/25/im-heissen-schatten-des-islam/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert