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Es ist diesig, wir sehen nicht, wie der Bär flattert.
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Blick auf die Wexstraße Ecke Bernhardstraße, 2013. Alle Fotos: Barbara Kalender
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Wir leben nahe der Ringbahn, diese war zu Kriegszeiten eine der wichtigsten Bahnstrecken mit Anschluss an die Siemenswerke und andere kriegswichtige Industrieanlagen wie zum Beispiel der Westhafen. Wer einmal eine Runde mit der Ringbahn gefahren ist, kann noch heute die vielen Baulücken sehen, auf denen ursprünglich Gebäude standen, die weggebombt wurden. So sind auch die Häuserzeilen in der Bernhardstraße fast völlig zerstört worden, wegen ihrer Nähe zum Wilmersdorfer Güterbahnhof. Heute rauscht hier die Stadtautobahn A 100 vorbei, und gleich daneben rattern die Züge der S-Bahn. Die meisten Häuser in der Bernhardstraße wurden nicht wieder aufgebaut, es blieben nur drei stehen. Über all diese Lücken baute man in der Nachkriegszeit Hallen für Autowerkstätten und Gebrauchtwagenhändler, nur der Neubau eines schlichten Touristenhotels kam hinzu.
Was geht uns diese Bernhardstraße an? Na ja, sie liegt bei uns gegenüber und verlief ursprünglich U-förmig entlang von achtzehn vierstöckigen Häuserblocks. Die drei Schenkel dieses Quadrats bildeten zusammen mit der Wexstraße ein Karree. Aber warum wir über dieses trostlose Areal auch reden: Im Haus Nr. 5, das es heute nicht mehr gibt, wuchs Hildegard Knef auf, ihr Stiefvater hatte dort eine Schusterwerkstatt, die Familie lebte in der Mietwohnung darüber. »Schräg gegenüber der Südseite war der S-Bahnhof Wilmersdorf, dadurch bekamen wir viel Laufkundschaft, wie mein Stiefvater das nannte«, so beginnt Hildegard Knef ihren ›Geschenkten Gaul‹. Und mit der alten Bernhardstraße endet ihr Buch. Jedes ihrer Domizile in aller Welt verglich die Knef mit ihrer alten Wilmersdorfer Wohnung. Über den Bombenkrieg schrieb sie: »Ich schlief mit einem Heizkissen ein und wachte auf, weil mein Bett brannte, gleichzeitig hörte ich das sanfte, stete Surren, das wir alle so gut kannten – eine Bombe und danach noch eine und noch eine, und ich schrie Alarm und schrie und schrie. Unsere Sirenen waren beim letzten Angriff kaputtgegangen, und keiner in der Bernhardstraße hatte es gemerkt, und als wir unten am Kellereingang ankamen, traf ein Volltreffer unser Haus, und wir waren verschüttet. Man hat uns ausgegraben. Wir bedankten uns beim Heizkissen. In Nr. 6 war eine Wohnung frei, wir zogen um, das heißt wir nahmen unser Handgepäck, einen Tisch und zwei Schüsseln, die wir über die unzerstörte Hintertreppe herausgeholt hatten. Im Wohnzimmer stand unser Klavier auf einem Mauervorsprung, aber da kamen wir nicht ran. Wir sahen uns von Nr. 6 unser Klavier im vierten Stock von Nr. 5 an und warteten, dass es herunterfiel …« Später: »Kurz nach Silvester war Großangriff. Die Bombe, die endgültige, fiel auf die Bernhardstraße, auf den Bahnhof Wilmersdorf.« Heute heißt diese Station Bundesplatz.
Von unserem Südbalkon blicken wir also rüber zu den drei Häusern der Bernhardstraße, die stehen blieben, auf dem Ostbalkon haben wir die ›rote Insel‹ im Blick, wo Marlene Dietrich aufwuchs. Das Viertel wird so genannt wegen seiner Lage zwischen Bahngleisen und weil dort traditionell eine linksorientierte Bevölkerung lebte. Später wohnte Marlene Dietrich in einem Haus in der Bundesallee bei uns um die Ecke. Die gemeinsame Heimat trug dazu bei, dass sich die beiden Frauen sehr zugetan waren, in den New Yorker Ninotschka-Zeiten bekochte die ältere Marlene ihr junge Freundin Hilde mit Berliner Hausmannskost.
Gegenwärtig läuft der alte Berliner Westen dem lange gehypten Prenzlauer Berg den Rang ab, und die nur notdürftig mit Hallen bebauten Grundstücke in der Bernhardstraße sind jetzt Spekulationsobjekte für den Bauboom. Vor kurzem wurde dort der einstöckige, lang gestreckte ›Waschtrog‹, ein Waschsalon aus den fünfziger Jahren, abgerissen. Ein Jammer, dieses Unikum hätte man unter Denkmalschutz stellen sollen! Jetzt bietet man das Gelände zum Verkauf an, temporär werden auf dem Splitt des Eckgrundstücks Gebrauchtwagen ausgestellt. Wir können uns an den Fingern abzählen, wann dort wieder eine Spielzeugraupe scharren und nach Blindgängern suchen wird.
Diesen Text haben wir aus ›Schröder erzählt: Statische Schläue‹ (60. Folge) entnommen, er wurde 2013 veröffentlicht. Nun ist es soweit, es wird überall gebaut, in Berlin fehlen 80.000 Wohnungen.
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Blick auf die Wexstraße Ecke Bernhardstraße, 2020.
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Demnächst geht es weiter
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HK / BK / JS
Danke für das Einstellen des Textes, Gern gelesen.
Fehlfarben – „Es geht voran.“: https://www.youtube.com/watch?v=s10U_efDHME
Gelegentlich suche und kaufe ich antiquarische Folgen von „Schröder erzählt“. 🙂
Apropos Spielzeugraupe und Blindgänger – Hier in OS musste vor paar Tagen ein WKII-Blindgänger kontrolliert gesprengt werden, da Entschärfung und Abtransport zu riskant waren. Es gab in ziemlicher Entfernung einen Dachschaden durch einen Splitter der gesprengten Bombe. Zum Glück keine Personenschäden. Die Menschheit wird noch viele Jahre mit Blindgängern zu tun haben.