vonSchröder & Kalender 09.01.2022

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Es ist dunkel, ich sehe nicht, wie der Bär flattert.

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Letztes Jahr sorgte ich dafür, dass unsere Sammlung der Künstlergruppe Exit an die Arbeitsstelle Rolf Dieter Brinkmann ging. Professor Markus Fauser, Leiter der Forschungsstelle an der Uni Vechta plant nun die 32 Werke, inklusive handgeschriebener Gedichte von Brinkmann, demnächst öffentlich in Vechta auszustellen. So sagte er der Nordwestzeitung: »Jeder in Vechta soll die Möglichkeit bekommen, intensiv die Beziehung zwischen den Bildern der Grafiker und den Texten von Rolf Dieter Brinkmann zu studieren. Und Vechta kann jetzt in allen Phasen von Brinkmanns Schaffen diese bedeutende Verbindung von Literatur und Kunst belegen.«


Exit-Bilder in Jörg Schröders Büro 2018, Foto: Barbara Kalender
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Ende 1968 bezogen die Künstler Henning John von Freyend, Berndt Höppner und Thomas Hornemann eine Ladenwohnung in der Steinfeldergasse 24 in Köln und produzierten dort Siebdrucke, Bilder, Zeichnungen und Mappenwerke. Sie nannten sich Exit, ihre Arbeiten wurden nicht signiert und trugen lediglich auf der Rückseite den Aufdruck »Exit – Bildermacher«. Die Künstlergruppe postulierte: »Alles ist Kunst: Schluss mit dem Fetischismus!«

Bald stand die Gruppe in regem Austausch mit Rolf Dieter Brinkmann und Ralf Rainer Rygulla, die in den Arbeiten von Exit Parallelen zu ihren eigenen künstlerischen Ansätzen einer Ästhetik der Oberflächen sahen. Brinkmann und Rygulla stellten den Kontakt zum März-Verleger Jörg Schröder her, der größere Formate der Exit-Künstler kaufte, aber auch einige Schutzumschlagmotive für das von Schröder entworfene März-Erscheinungsbild bei Exit in Auftrag gab. Eine Reihe von Motiven wurde benutzt, andere, wie die oben gezeigten, hingen seit 1970 an den Wänden der jeweiligen März-Büros, zuletzt hinter Jörg Schröders Schreibtisch in Berlin.

Zum Schluss noch ein Zitat aus einem Brief von Jörg Schröder an Professor Fauser: »Die enge Kooperation von R.D. Brinkmann mit R.R. Rygulla beruhte auf dessen einzigartiger Expertise zur neuen amerikanischen Literatur- und Kunstszene. Rygulla hat sich diese während seiner Zeit als Buchhändler bei Foyles in London erworben. Praktisch alles, was dann in dieser Richtung zuerst bei Melzer erschien, dann bei Kiepenheuer und Witsch und MÄRZ an Anthologien oder Herausgaben erschien (Fuck you!, ACID, Berrigan, O’Hara etc.) stammt aus Rygullas Retorte und wurde dann in Kooperation von beiden Autoren und Herausgebern ediert sowie von den drei Exit-Künstlern illustriert oder adaptiert: im ›Gummibaum‹, ›Fröhlicher Tarzan‹ und in dem 1969 erschienenen Künstlerbuch ›Erwin’s‹.

Nur ein paar Beispiele: In ›Erwin’s‹ hat R.D. Brinkmann auf Seite 3 »Eine Geschichte aus dem Weltraum« im Perry-Rhodan-Stil handschriftlich veröffentlicht. Auf Seite 5 findet sich Brinkmanns/Rygullas »Sonntags ist immer gutes Lesewetter«, »Lied«, »Hegel an Du Boc«, »Für und wider« usw., auf Seite 6 »Zugluft«, auf Seite 12 »Durch mich die Meil«, eine Oberflächen-Übersetzung nach Paul Eluards »Après moi le sommeil« – ein erster Versuch in diesem Stil. Später folgte dann in den ›MÄRZ-Texten 1‹ das allseits bewunderte ›Der joviale Russe‹ nach Apollinaire. Auf Seite 14 in ›Erwin’s‹ steht ein Gedicht von Brinkmann und Rygulla »Sein Album«.

Ein Fazit: R.D. Brinkmann liebte die Lyrik von Frank O’Hara und Ted Berrigan, die Texte von William S. Burroughs, Pop, das Hollywood-Kino, den Underground-Film, Rock ’n Roll, Comics, Werbung, TV und Radio, Miniröcke, Science Fiction, eben die Ästhetik der Oberflächen in jenen Jahren bis 1971. All das floss in ›ACID · Neue amerikanische Szene‹ ein, welche so die einflussreichste Anthologie der Nachkriegszeit und von Andy Warhol himself bewundert wurde. Auch wenn sich Brinkmann ab 1970 enttäuscht von Pop, Beat und Underground abwendete, so blieb ihm doch seine Affinität zu Bild und Textcollagen erhalten wie ›Rom, Blicke‹ zeigt.

Ab 1971 begann der Auflösungsprozess der Exit-Gruppe: Höppner ging als Hochschullehrer nach Basel. Hornemann wurde Gastprofessor in Berlin. Lediglich John von Freyend blieb in Köln. Für Brinkmann wurde er dann eine Art Eckermann, was sich in den zehn Malerkladden niederschlug, die Freyend bis zu Brinkmanns Unfalltod führte und die bereits in Vechta vorliegen.

Nehmen Sie alles nur in Allem: Wir würden uns wünschen, lieber Herr Professor Fauser, dass die angesprochene Phase im Leben des Dichters Rolf Dieter Brinkmann in der geplanten Dauerausstellung in Vechta – und damit auch die Rolle der Exit-Künstlergruppe — nicht allein mit dem ›Hemd‹ thematisiert wird.«

(BK / JS)

 

 

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