vonFlorian Siebeck 30.12.2010

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Normalerweise steigt ein Mitglied des Schuh-Blog-Teams in eine beliebige Bahn und sucht sich ein Paar Schuhe aus. Manche Menschen in der Bahn drehen den Spieß aber einfach um. Eine etwas andere Schuhbegegnung in der Berliner S-Bahn.

„Füße runter!“, herrscht die alte Dame mich mit leicht verkratzterer Stimme an, als ich mich ihr gegenübersetze. „Das Metallteil haben die sicher grad geputzt, und jetzt stellen Sie Ihren Schuh druff.“ Aber das sei ja nicht schlimm, sage ich. „Doch“, meint sie, „ich brauche Raum zur Entfaltung.“ Sie sei auf dem Weg zur Tochter, da gebe es nämlich Weihnachtsessen. „Meene Tochter hat mir ja am Telefon jesacht, heute Nacht werden’s 18 Grad.“ Plus oder minus, frage ich, obwohl mir schon am Ende der Frage auffällt, wie obsolet sie eigentlich ist. „Na Sie sind mir ja eener. Stellnse sich dit ma vor, au watte. Die Wasserfälle üba Balin.“ Ich erzähle, dass ich letztes Jahr in einer chinesischen Stadt war, wo minus 35 Grad waren. „Aber da is ja och trockenere Luft, dit macht eenem denn nüscht aus“, sagt sie. War trotzdem kalt, meine ich, und sie erwidert: „Samma friernse denn nich? Sie sind ja och dünn wie ne Bohnenstange.“ Wo denn frieren?, frage ich, und wieder erscheint mir die Frage zum Ende ziemlich aussichtslos. „Na überall. Bin ick froh dass ick jefütterte Wildlederschuhe hab.“ Ich schaue auf ihre Schuhe, da steht sie auf und sagt: „Jut denn. Jetzt könnse Ihre Latschen wieder ruffstellen, ick muss raus. Schönen Feiertag noch!“

Text: Florian Siebeck

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