vonKarim El-Gawhary 28.07.2011

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Quelle: .globalarabnetwork.com

Man vergisst ihn leicht, den Jemen, weit weg ganz unten im Süden der Arabischen Halbinsel. Seit 120 Tagen halten die meist jugendlichen Revolutionäre dort auf dem „Platz der Veränderung“  in der Hauptstadt Sanaa und auf anderen Plätzen des Landes ihre Stellung, gegen große mächtige Gegner: gegen das alte Regime Abdallah Saleh, der nach einem Anschlag in Saudi Arabien im Krankenhaus liegt und ein politisches Vakuum hinterlassen hat, gegen den Nachbarn Saudi Arabien, der alles daran setzt, dass sich im Jemen keine Revolution durchsetzt, gegen ein altes verkrustetes Stammessystem und gegen die USA, die aus Furcht vor Al-Kaida keine revolutionäres Experimente im Jemen zulassen will.

Wasim Alqershi

Wasim Alqershi ist ein Mitglied des Organisationskomitees der „Volksrevolution der Jugend“ und ehemaliger Vorsitzender der jemenitischen Studenten Union.

Es folgen von mir übersetzte Auszüge eines Artikels, den er jetzt in der jemenitischen Presse veröffentlicht hat. Es ist ein Aufruf zum Durchhalten, aber zeigt auch, wie Alleinegelassen sich die jemenitischen revolutionären Jugendlichen fühlen.

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Jemen Times: 28.7.2011

Der Kampf geht weiter

Jemens Volksrevolution der Jugend hat in den gegenwärtigen Revolutionen des Arabischen Frühlings ganz spezifische Herausforderungen zu bestehen. Ein despotisches Regime, bewaffnete Stämme und eine vom Regime sanktionierte Präsenz Al-Kaidas. Trotz alledem besteht die Jugend auf einem friedlichen Wandel und Millionen Jemeniten sind diesem Aufruf gefolgt und haben sich auf den Plätzen des Landes versammelt.

Besonders wichtig war, dass wir die Stämme eingeladen haben, bei dieser friedlichen Revolution mitzumachen und die Waffen, die deren Angehörige normalerweise tragen, zu Hause zu lassen. Denn sie repräsentieren einen Großteil der Bevölkerung. Als sie ohne ihre Waffen kamen und mit uns ihre Zelte aufgebaut haben, war das eine Überraschung für uns. Das zeigt, wie groß der Wunsch der Jemeniten nach einem demokratischen, modernen Staat ist.

Nun sind wir seit 120 Tagen auf dem Platz. Es war eine Zeit, in der wir der Gewalt des Regimes Abdallah Saleh  ausgesetzt waren, während sich die internationale Gemeinschaft nicht darum gekümmert hat. Niemand kann uns etwas vorwerfen, denn wir haben alle daran gesetzt, einen Bürgerkrieg zu verhindern, während die internationale Gemeinschaft es Saleh erlaubt hat, mit der Gewalt fortzufahren. (…)

Die friedliche Revolution zu sichern, war wie ein Stück heiße Kohle aufzuheben. Dann wurde der Präsidentenpalast bombardiert. Saleh wurde nicht getötet, aber das Land hat keine Führung mehr. Die Jugendlichen der Revolution sind sich sicher, dass er nicht wieder aus dem Krankenhaus aus Saudi Arabien zurückkehren wird. Aber seine dortige Anwesenheit und seine Behandlung wird als Karte genutzt, um für die Bedingungen der Nach-Salah-Zeit zu arrangieren.

Die Karte wird auch genutzt, um unsere Forderungen nach radikalem Wandel zu umgehen, dass die Vertreter des alten Regimes vor Gericht gebracht werden und dass wir von einem präsidialen Übergangsrat regiert werden, der sich den Zielen unserer Revolution verpflichtet fühlt. Aber wir Jugendlichen halten eine noch stärkere Karte in der Hand. Unsere Proteste werden nicht aufhören, bis unsere Ziele erreicht sind.

Diejenigen die nicht unsere Opfer gebracht haben, sollen in Zukunft die Macht im Land mit uns teilen. Die Oppositionsparteien und die Reste der alten Regierungspartei sollen sich die politische Macht teilen, während die USA unsere Sicherheitsdienste kontrollieren und sichergestellt wird, dass die Saudis vor der „revolutionären Plage“ bewahrt bleiben. Es sieht so aus, als wolle die USA alte Saleh-Leute weiter an der Macht halten. Dabei ignorieren die USA, dass sie mit einem solchen Arrangement, im Namen des Antiterror-Kampfes,  die Kooperation des jementischen Volkes verlieren würden. Denn die Menschen hassen jene, die heute den Sicherheitsapparaten vorstehen und die für den Tod von hunderten friedlicher Demonstranten verantwortlich sind.

Die Jugendlichen waren gegenüber der Internationalen Gemeinschaft positiv eingestellt, aber unter ihnen wächst der Frust. Während die Internationale Gemeinschaft behauptet, für Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie zu stehen, hat sie uns, die schutzlos für diese Werte stehen, einfach im Stich gelassen.

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