Am Abend bzw. in der Nacht war Forumsempfang in der Volksbühne; die einzige Berlinaleparty, zu der ich immer gehe. Alles war voll, alles war super. Da hinten standen sehr gute Bekannte.
Ich ging auf sie zu und fragte als erstes, ob sie auch „Alle anderen“ doof fänden. M. sagte irritiert und leicht verärgert, „nun hör mal, wie bist du denn drauf; kommst auf uns zu, sagst kaum hallo, und dann: alle Anderen sind scheisse.“ – „Ich meinte doch den Film!“ – „Okay.“
Wie erwartet, fand M. den Film auch nicht so gut. Nun waren wir schon zwei. (Und mit D. sogar drei)
Was später geschah, hätte ich mir auch denken können; ich plauderte ein bißchen mit K. Ich freute mich sehr, sie zu sehen. Wir kennen uns richtig lange und ich halte von ihrem Urteil sehr viel. Alle Filme, die ich toll fand, fand auch sie gut. „Und was hältst du von ‚Alle Anderen‘?“
K. sagte nicht viel mehr, als dass sie den Film sehr gut fände, aber das auf eine so knappe und präzise Art, die mich ins Schwanken brachte.
Kann auch sein, dass ich in’s Schwanken hatte kommen wollen; Diedrich Diederichsens Anmerkungen gestern hatten mich nur kurz in’s Schlingern gebracht; ihr „gut“, dass sie nicht viel mehr begründete, als ich mein „doof“ begründet hatte, dass aber durch die Art, wie sie es sagte, Gewicht erhielt, brachte mich aber in’s Schwanken.
Später unterhielt ich mich noch mit S. über den Film und über Bekannte auch, die genauso sind, wie die Charaktere in „Alle Anderen“, der, wie sagt man so schön, ja auch eine Versuchsanordnung ist.
Ich sagte, okay; die Farbgebung des Films, ein paar Millimeter neben echt, wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich gut gefunden und ich hatte ihn natürlich auch unter ungünstigen Bedingungen gesehen; naß vom Regen, von diesem und jenem genervt; irgendwie war’s auch viel zu heiss in diesem Friedrichstadtpalast gewesen; die Stellen, wo die anderen 20.000 in dem Film alle lachten, fand ich nicht komisch und bis zur 57sten Minute, als ich entnervt das Spielfeld verließ, war noch niemand in dem Film aufgetaucht, den ich sympathisch gefunden hätte; mir hatte also das identifikatorische Element gefehlt, das ich brauche, um in Filme reinzukommen, ich hatte es abgelehnt, mich in Gitti oder Chris probeweise hineinzufühlen und es macht ja auch Spaß, Filme doof zu finden, die von allen Seiten gelobt werden.
Dies erst tagelang komplett genervt sein, dies Nachdenken und Reden, Urteilen und das eigene Urteil im Gespräch mit anderen und sich selbst wieder ein bißchen zu relativieren (beim diesjährigen Berlinale-Motiv ging’s mir ähnlich), hatte mir jedenfalls sehr viel Spaß gemacht. Das ist es auch glaube ich, was an Filmfesten so toll ist; also dass man nicht nur kurz mal am Abend in’s Kino geht, und was gut oder schlecht findet; Klappe zu, Affe tod, sondern sich eben zehn Tage damit so kollektiv beschäftigt. Das Kollektiv besteht aus den unterschiedlichen Filmen, den Texten, die man liest oder schreibt, den anderen, die auch mit dabei sind. (Und dazu kommt dann auch noch das, was sonst so geschieht; die grauen Tage zuvor; die plötzlich Wiederkehr des Winters, die schöne Sonne heute)
Eine Weile redete ich noch mit dem Dokumentarfilmer Gerd Kroske über Thomas Heises Film „Material“. Gerd hatte „Material“ auch klasse gefunden, wobei ihn – vielleicht auch als gelerntem DDR-Bürger, wie man früher so sagte – dann wieder andere Passagen begeistert hatten, als mich. Und ich bin nun wieder sehr gespannt auf ein Gespräch mit meinem Ostraverfreund H., weil er den Film ganz doof gefunden hatte.