Das Schweizer Bundesgericht musste wieder einmal den Zürcher Strafverfolgern erklären, was eine verdeckte Ermittlung ist. Dieses Mal ging es um zwei Drogengeschäfte. In einem Fall hatte der Zürcher Polizeibeamte „SK 151“ sich gegenüber einem Drogenhändler als Henry ausgegeben und in englischer Sprache gesagt, er wolle „Business“ mit ihm machen. Zudem habe der Scheinkäufer der Polizei wahrheitswidrig angegeben, er befinde sich in Basel und habe die Telfonnummer von einem Mann namens Vladan erhalten. Weiter habe der Scheinkäufer Vorschläge für bestimmte Treffpunkte abgelehnt und auf anderen beharrt und den Scheinkäufer für eine Terminabsprache erneut angerufen. Als der Drogenlieferant dem scheinbaren Kunden 180 Gramm Kokain für 14.000 Franken (9.300 Euro) verkaufen wollte, realisierte er, dass er auf einen Polizeibeamten (verdeckten Ermittler) hereingefallen war.
Der Drogenhändler wurde angeklagt und vom Beziksgericht Zürich freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen das Urteil ein und es kam zu einer erneuten Verhandlung, diesmal vor der 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich. Auch hier wurde der Drogenhändler freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte auch gegen dieses Urteil Beschwerde ein und das Bundesgericht musste über den Fall urteilen. Auch das Bundesgericht sprach den Drogenhändler mit Urteil vom 8. März 2010 frei (6B_837/2009). Grund: Bei der dafür zuständigen Anklagekammer des Obergerichts war keine richterliche Genehmigung für eine verdeckte Ermittlung eingeholt worden. Deshalb durften die Beweise gegen den Drogenlieferanten nicht verwertet werden.
In einem anderen Fall hatte der Zürcher Fahnder „SK 168“ in einem Musikladen nach „etwas zum Rauchen“ gefragt. Am 27. Februar 2007 erschien ein Kunde (der Fahnder „SK 168“) im Musikladen, in dem der Angeschuldigte, ein Verkäufer im besagten Musikladen, anwesend war. Der Kunde erklärte diesem, er wolle etwas zum Rauchen kaufen. Der Angeschuldigte verwies den Kunden an den Geschäftsführer, der sich ebenfalls im Laden befand. Der Geschäftsführer verkaufte dem Kunden wunschgemäß Marihuana zum Preis von 100 Franken (65 Euro). Beim Kunden handelte es sich, was der Verkäufer nicht wusste, um den Fahnder „SK 168“ der Betäubungsmittel-Gruppe der Stadtpolizei Zürich, der zu Ermittlungszwecken den Scheinkauf tätigte, da der Verdacht bestand, dass im betreffenden Musikladen ein Betäubungsmittelhandel betrieben wurde.
Ein Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich verurteilte den angeschuldigten Verkäufer am 5. November 2008 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Dieser ging in Revision und wurde auch in zweiter Instanz von der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 26. Juni 2009 verurteilt. Die Beschwerde des Verkäufers gegen das Urteil des Obergerichts beim Bundesgericht war erfolgreich. Das Bundesgericht in Lausanne sprach den Angeschuldigten am 8. März 2010 in dieser Angelegenheit frei (6B_743/2009). Grund: Bei der dafür zuständigen Anklagekammer des Obergerichts war keine richterliche Genehmigung für eine verdeckte Ermittlung eingeholt worden. Deshalb durften die Beweise gegen den Verkäufer nicht verwertet werden.
Der Polizeibeamte „SK 168“ betrat den Musikladen, in welchem nach der Verdachtslage mit Betäubungsmitteln gehandelt wurde, und er erklärte dem anwesenden Verkäufer, dass er etwas zum Rauchen kaufen wolle, worauf dieser, der verstand, dass es um Betäubungsmittel ging, den nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen an den Geschäftsführer verwies. Dieses Vorgehen des Polizeibeamten ist ein Anknüpfen von Kontakten im Sinne eines aktiven, zielgerichteten Verhaltens, dessen Zweck darin bestand, eine konkrete Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, welche die Zielperson, veranlasst durch das Verhalten von „SK 168“, erst noch begehen sollte, festzustellen und zu beweisen. Das ist eine verdeckte Ermittlung im Sinne des Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8). Hierbei betont das Bundesgericht, dass es fraglich sei, ob ein Betäubungsmittelscheinkauf der vorliegenden Art überhaupt bestimmt und geeignet ist, zur Aufklärung einer bereits begangenen Straftat beizutragen. Vielmehr scheint es in erster Linie darum zu gehen, die Zielperson eines konkreten Delikts zu überführen, welches die Zielperson noch gar nicht verübt hat, sondern, veranlasst durch das Verhalten des nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen, erst noch begehen wird.
In beiden Fällen erinnerte das Bundesgericht die Zürcher Strafverfolger an ein Urteil des Bundesgerichts (BGE 134 IV 266) aus dem Jahre 2008, das ebenfalls einen Zürcher Fall betroffen hatte. Damals hatte sich ein Polizeibeamter in einem Kinder-Chatroom im Internet als „manuela_13“ ausgegeben. Ein 26-Jähriger biss an, verabredete sich mit „manuela_13“ im Zürcher Hauptbahnhof, wurde dort verhaftet, vor Gericht gestellt und freigesprochen. Auch hier hatte die Genehmigung für die verdeckte Ermittlung gefehlt. Damals hielt das Bundesgericht unmissverständlich fest, dass „jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwandes und der Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung zu qualifizieren ist„.
Verdeckte Ermittlungen unterliegen in der Schweiz einer richterlichen Genehmigung in jedem Einzelfall. Art. 7 (Richterliche Genehmigung) Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung (BVE).