vonHans Cousto 06.07.2010

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Die Stadt Zürich will einen Pilotversuch für kontrollierten Verkauf von Cannabis starten. Ein Postulat der Grünen aus dem Jahr 2006, das erst am 16. Juni 2010 zur Beratung im Gemeinderat kam, verlangt einen wissenschaftlich begleiteten Versuch: Cannabis soll kontrolliert zum Verkauf kommen, und wer Haschisch und/oder Gras auf sich trägt oder konsumiert, soll von der Polizei nicht angezeigt werden. Gleichzeitig soll die Stadt die Prävention und Aufklärung über Suchtmittel ausbauen. Das Postulat wurde mit 67 Ja-Stimmen zu 49 Stimmen Nein-Stimmen zur Prüfung an den Stadtrat überwiesen.

Postulat (GR-Nr. 2006/346) von Bastien Girod (Grüne) und Matthias Probst (Grüne) vom 30.8.2006: Cannabis, Pilotversuch für kontrollierten Verkauf

Der Stadtrat wird gebeten zu prüfen, wie folgende Maßnahmen umzusetzen sind:

1. In Form eines wissenschaftlich begleiteten Pilotversuches wird in der Stadt Zürich der kontrollierte Verkauf von Cannabis eingeführt.

2. Im Rahmen seiner Präventionsbemühungen erarbeitet der Stadtrat mit den Schulen und den Fachorganisationen eine Strategie zur Aufklärung und Beratung von Jugendlichen. Im Vordergrund steht dabei nicht das gescheiterte Ziel der Abstinenz, sondern die pragmatische Vermittlung der belegbaren Gefahren eines übermäßigen Konsum von Rauschmitteln – welcher Art auch immer – auf das schulische Fortkommen und die Gesundheit.

3. Der Stadtrat erstattet dem Gemeinderat regelmäßig Bericht über die getroffenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen.

Begründung:

Das Verbot des Cannabiskonsums ist Ausdruck einer blockierten schweizerischen Drogenpolitik und kriminailisiert tausende von Menschen, statt sie zu vernünftigem Genusskonsum zu leiten. Diese verkehrte Politik kostet viel Geld, welche besser für die Prävention ausgegeben würde. Die Städte sind von dieser fehlgeleiteten Politik besonders betroffen. Die Stadt Zürich stand stets als eine Pionierin für eine fort­schrittliche Drogenpolitik ein, deshalb soltte sie sich auch vermehrt für einen vernünf­tigen Umgang mit dem Cannabiskonsum einsetzen.

Der kontrollierte Verkauf von Cannabis erlaubt einen effektiven Jugendschutz, geziel­te Information der Cannabiskonsumentlnnen und eine Qualitätskontrolle. Zudem ver­hindert der kontrollierte Verkauf die Vermischung von weichen und harten Drogen und der Cannabis-Schwarzmarkt könnte ausgeschaltet werden.

Eine fundierte Aufklärung der Jugendlichen über einen vernünftigen Umgang mit die­ser weichen Droge, die sich aber nicht am realitätsfernen Ziel der Abstinenz orien­tiert, wäre aber von großer Bedeutung.

Der Einsatz für eine offenere Hanfpolitik ist schließlich auch ein Einsatz für die Entkriminalisierung von vielen Zürcherinnen und Zürchern und ihren BesucherInnen und sollte deshalb vom Stadtrat engagiert vorangetrieben werden.

Matthias Probst (Grüne) sagte, wie der Tagesanzeiger am 17. Juni 2010 berichtete, nach der Gemeinderatssitzung, Cannabis sei eine Volksdroge, und das Cannabisverbot habe versagt. Es sei an der Zeit, das Problem einmal anders anzugehen und Fakten zu liefern mittels wissenschaftlichen Erhebungen. »Wir wollen kein Kiffer-Eldorado in Zürich, sondern Erkenntnisse.« Senioren in Altersheimen sollten durchaus auch in den Versuch einbezogen werden. Das solle übrigens auch ein politisches Signal nach Bern sein und dort zur Versachlichung der Debatte beitragen. Das Schweizer Fernsehen berichtete hierzu in der Sendung »10 vor 10« am 16. Juni 2010.

Zwar stimmten in der gesamten Schweiz nur 36,8% an der Volksabstimmung »für eine vernünftige Hanfpolitik mit wirksamen Jugendschutz« für die sogenannte Hanfinitiative, doch der Stadtzürcher Souverän habe die Hanfinitiative mit 54,4% angenommen, erinnerten die Grünliberalen, die einstimmig für das Postulat waren. Deshalb stehe es der Stadt gut an, eine Vorreiterrolle zu spielen, allerdings erst für Jugendliche ab 18 Jahren. Die Sozialisten (SP) waren ebenfalls für das Postulat, obwohl sie rechtliche und praktische Vorbehalte äußerten. Aber versucht sollte es zumindest werden.

In der Stadtkreisen 4 und 5, wo sich die Partymeilen von Zürich befinden, stimmten sogar 71.6% für die Hanfinitiative. Außerhalb von Zürich gab es nur im Verwaltungskreis Saanen im Berner Oberland eine Mehrheit für die hanfinitiative. Der bekannteste Ort in Saanen ist Gstaad. Hier verbringen viele Prominente des Jetsets, wie etwa Gunter Sachs, Tony Curtis, Roger Moore, Bernie Ecclestone, Roman Polanski, und in der Vergangenheit Elizabeth Taylor, Fürstin Gracia Patricia, Yehudi Menuhin oder Axel Springer, ihre Ferien.

Der Bund (größte Zeitung aus bern) berichtete am 23. Juni 2010, Hanf solle man auch in Bern künftig nicht mehr illegal beim Dealer kaufen müssen, sondern legal – bei einer offiziellen städtischen Verkaufsstelle. Dies fordern einige Stadträte. »Die Stadt Bern soll ein Zeichen setzen«, sagte etwa Juso-Stadträtin Tanja Walliser. Dementsprechend wolle man der Stadt Zürich folgen und bei deren wissenschaftlich begleitetem Pilotversuch für den öffentlichen Cannabis-Verkauf mitmachen.

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