von 14.02.2024

Seele gegen Wand

Let's call it praktische qualitative Anthopologie

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Wir sind nur so stark, wie das Umfeld glaubt, dass wir es werden sollten. Das Anpassen an aber auch das “Schwimmen” gegen den “Strom” kostet Ressourcen. Manchmal schwimmt man vielleicht zu Unrecht dagegen, aber meistens gibt es stichhaltige Gründe: die Hoffnung auf mehr Freiheit, auf Entfaltung der Persönlichkeit, auf neue Horizonte, Flugplätze, auf etwas mehr Frieden, Glück, Sicherheit. Das alles sind absolut legitime – weil menschliche und sinnvolle Bedürfnisse. Aber so ein Strom, gegen den man schwimmen muss, kann eine vernichtende Kraft sein: die mobbenden Mitschüler*innen, die ständigen Rassismus, Kriminalisierung, wirtschaftliche Ausgrenzung, ein Vater, der einen verlassen hat, eine Mutter, die einen (vielleicht unabsichtlich) klein gehalten hat, Krankenkassen, wenn sie die Therapiekosten nicht übernehmen, der Staat, der einem die Armut als Faulheit auslegt, und die Pflege Angehöriger als Freizeitvergnügen, Nachbarn, die von einer Behinderung auf grundlegende Unfähigkeit schließen, oder ganz allgemein das Patriarchat in Form von Gewalt, Gleichgültigkeit oder Diskriminierung – …das alles ist ungerecht, kostet Energie und wir alle haben nur begrenzte Ressourcen.

…und sie ist bei manchen irgendwann einfach alle. Und man kann’s messen.

Ungerechtigkeit: da geht es nicht nur um Ideale, um Utopien. Da geht es auch harte Fakten und Zahlen. Naturwissenschaften, Soziologie und Psychologie erforschen diese Mechanismen: wenn man sich anschaut, wie Gewalt frühkindliche Entwicklung beeinträchtigt oder den Zusammenhang zwischen Armut und Depressionen oder der Lebensdauer.

Diese Disziplinen sind hier praktisch weiter, als viele Strömungen der philosophischen Anthropologie, weil sie rechts-konservative und quasi-religiöse Annahmen mittlerweile aufgegeben zu haben scheinen. Doch wenn “wir” – sagen wir mal ganz vage, “wir, die philosophische Gemeinde” – irgendwann soweit sind, das metaphysische, überholte Gerede von “freien” Entscheidungen endlich sein zu lassen zugunsten unserer faktischen Erfahrungen und eines schlanken sprachphilosophischen Toolsets, – dann stellen wir vielleicht fest, dass moderne Erkenntnisse der Evolutionstheorie, Genetik und Medizin einige philosophische Konzepte sehr gut stützen und belegen: damit hätte Philosophie nicht nur als intellektuelles Beiwerk, Statussymbol oder Denkanregung, – sondern auch als der knallharte Kontrollinstanz für tatsächlich rationale Argumentationsstränge eine Bedeutung: zum Beispiel in politischen Diskursen jenseits der Sternstunde der Philosophie mit Precht.

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