vonEva C. Schweitzer 03.11.2009

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Inzwischen bin ich auch in Frankreich berühmt – eine französische Touristin hat mich an Halloween fotografiert, als Hexe verkleidet, in der U-Bahn. Neben mir saßen eine winzigkleine Prinzessin Leia und ein vielleicht anderhalb Jahre altes Wildes Ding (dabei meinte unser Blogwart Matthias Bröckers, ich bräuchte gar kein Hexenkostüm, die Nerds würden gerade einen virtuellen Scheiterhaufen für mich errichten, vermutlich dadurch, indem sie ihre Prozessoren überhitzen, auf iTunes Symphatie for the Devil abspielen, und die Flammen durch heftiges Wedeln mit ihren Mousepads anfachen). Später, auf einer Fete, lernte ich eine Halloween-Version des Massenerregers Rush Limbaugh kennen. Er trug ein paar Pillendosen um den Hals, dazu kleine Teufelshörnchen.

Apropos, wie ich gerade von einem Kollegen erfahren habe, erregt sich Stefan Niggemeier in seinem Blog über mich. Niggemeier ist einer der bekannteren deutschen Blogger (obwohl ich ein ganz klein wenig den Verdacht habe, er “piggybacks”, wie Amerikaner sagen, auf meinen Pageviews). Wie auch immer, er hat herausgefunden, worum es eigentlich geht: Ich habe “tiefsitzende Probleme mit Männern”.

Ah, daher weht der Wind! Gestern noch eine geldgierige Hexe, die ihre goldene Badewanne im Manhattaner Loft mit illegitim erpressten Scheinen füllt, plötzlich habe ich tiefsitzende Probleme mit Männer. Auf einer ähnlichen Linie liegen übrigens ein paar der Kommentare, die ich nicht gepostet habe, zum Beispiel der von Roman Goessinger:

Nachdem mein gestriges posting noch immer auf freischaltung wartet: Sie können von mir aus die “präpotente funzn” gerne auf “präpotente trutschn” ändern, falls die funzn der grund fürs metternichisieren ist.

Mein untergattinger-angebot steht übrigens noch. ….hechel, hechel, leftz, speichel,…

Oder der von neo@gmx.de

Sind Sie chronisch untervögelt?

Sorry, boys, no can do. Die Attitüde ist übrigens gar nicht ungewöhnlich. Wenn Männer Frauen kritisieren, landen sie irgendwie immer an einer geistigen Weggabelung, wo sie sich entscheiden müssen, ist die Alte nun eine Hure oder kriegt sie keinen ab? Weil, sachliche Differenzen sind irgendwie nicht artikulierbar.

Einem meiner Kollegen ging es mal so mit Pieke Biermann; er las einen ihrer Artikel, der ihm nicht recht zusagte, irgendwie schaffte er es aber nicht, das zu artikulieren. Nun ist es nicht so einfach, Pieke als Hure zu “entlarven”, weil sie mit einem Buch über ihr früheres Leben als Edelprostituierte Karriere gemacht hat; als Frau, die keinen abgekriegt hat, funktioniert das natürlich erst recht nicht. Und so starrte mein Kollege eine halbe Stunde lang zähne- und lippenbeißend vor sich hin, bis er irgendwann hervorstieß: “Weißt du was? Ich glaube, die war nie eine Prostituierte! Die hat das alles nur erfunden, um ihr Buch zu verkaufen.”

Also gut, Stefan, ich will nicht so sein, ich gebe dir die einmalige Gelegenheit, meine tiefsitzenden Probleme mit Männern aufzuarbeiten, aber schicke mir doch vorher erst mal ein aktuelles Foto von dir, geduscht und nicht im Wintermantel, if you know what I mean.

So, das war der Sex, nun zu den versprochenen Nazis: In der Saison läuft ABC Flash Forward, eine superspannende SciFi Serie (und nein, ich kann das Plugin auch nicht downloaden). Im Pilot geht es darum, dass ein paar Unbekannte, Terroristen oder Außerirdische, alle Menschen auf der Erde für zwei Minuten und 17 Sekunden in Bewusstlosigkeit versetzen, in dieser Zeit haben sie eine Vision von der Zukunft. Nun ermittelt das FBI, vertreten durch Agent Mark Benford, gespielt von Joseph Fiennes, der aussieht wie eine rehäugige Version von Clive Owen. Dabei stößt Benford auf einen Altnazi, der etwas weiß.

Soweit ein bekanntes Formula, aber der Flash Forward Altnazi ist überraschend anders. Er hatte sich nach Amerika abgesetzt und einen US-Pass bekommen, wurde aber entdeckt, abgeschoben, und sitzt nun in einem Münchner Knast. Es stellt sich heraus, nicht nur ist er mit der Kabbalah vertraut, er fordert auch noch, dass er für seine Hilfe seinen Pass zurückbekommt und wieder nach Amerika darf. Und was sage ich, das passiert auch, während sich die Deutschen bitter beschweren, dass sie ihn nicht im Knast behalten dürfen. Ich würde mal sagen, damit hat die amerikanische Entertainmentindustrie einen Paradigmenwechsel in der Darstellung des Nazis eingeläutet, der noch viele deutsche Feuilletons beschäftigen würde, falls die US-Serien guckten.

Apropos Paradigmenwechsel. Ich habe mit Philipp telefoniert. Gerne würde ich mehr dazu erzählen, aber jetzt ist spätnachts, und ich muss noch die letzte Folge von Flash Forward gucken. Auf Tivo. Ich bin nämlich süchtig. Stay tuned.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

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