vonClaudius Prößer 20.08.2009

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Ein Heiliger der ganz besonderen Art: Marcial Maciel (Foto: dpa)


Um eine besonders unappetitliche Mischung aus Katholizismus, Per­so­nen­kult und Kindesmissbrauch ging es gestern Abend im chi­le­ni­schen Fernsehen: Der staatliche Sender TVN brachte eine Re­por­ta­ge über die Opfer von Marcial Maciel, dem Gründer der „Legionäre Chris­ti“. Der Mexikaner Maciel (1920-2008) hatte den streng kon­ser­va­ti­ven Orden im Jahr 1941 in Mexiko-Stadt gegründet, heute ist er in über 20 Ländern vetreten, über 600 katholische Priester gehören ihm an. Untrennbar mit der Kongregation verbunden ist die Laienbewegung „Regnum Christi“ mit mehr als 60.000 Mitgliedern.

Der charismatische und ausgesprochen papsttreue Maciel führte indes ein Doppelleben. Seit den 60er-Jahren kursierten Gerüchte über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in den Schulen des Ordens – Gerüchte, die sich viel später bestätigen sollten. Da der Mexikaner hohes Ansehen bei Johannes Paul II. genoss – die Legionäre galten als die neue, schlagkräftige Truppe des Vatikans -, geriet die Causa Maciel erst nach dem Tod dieses Papstes in Bewegung. Die Glaubenskongregation „lud“ den inzwischen 86-Jährigen im Mai 2006 „ein“, ein zurückgezogenes Leben „in Gebet und Buße“ zu führen. Bei seiner Beerdigung war kein päpstlicher Vertreter zugegen.

Anfang 2009 kam es zum Super-GAU für die Legionäre: Maciel habe eine Tochter, möglicherweise sogar mehrere leibliche Kinder, hieß es – und die Kongregation musste diese Information zähneknirschend bestätigen. Seitdem haben die von den Legionären betriebenen Einrichtungen, in denen man den Gründer noch vor kurzem wie einen Heiligen verehrte, fast alle Hinweise auf Maciel aus ihren Webauftritten getilgt. Wie man in Chile hört, hängen auch keine Maciel-Porträts mehr in den exklusiven Schulen des Ordens, das Thema wird von Chiles katholischer Upper-Class totgeschwiegen.

Nach der Ausstrahlung der Reportage von TVN wird ihr Schweigen noch ein bisschen peinlicher sein. Die Zeugnisse von Männern, die Maciel vor Jahrzehnten missbraucht hat, und die sich zum Teil erst jetzt trauen, öffentlich zu reden, sind so abstoßend wie grotesk. Einen von ihnen, damals Schüler in Maciels erster Ordensschule, einem seminario menor, das Jugendliche ohne Umwege auf die Priesterlaufbahn setzt, hatte der Pater beiseite genommen und ihn auf das Laster der Masturbation angesprochen. Man könne medizinisch etwas dagegen unternehmen – aber dazu brauche man eine Samenprobe. Und um diese zu erhalten, legte Maciel gleich selbst Hand an.

Seit dem 15. Juli ist eine „apostolische Visite“ im Gange, die dem Va­ti­kan einen Bericht über das Innenleben des Ordens liefern soll. Fünf Bi­schö­fe, unter anderem Ricardo Ezzati, Erzbischof von Concepción, sind weltweit unterwegs und besuchen Institutionen der Legionäre. Viel erwarten darf man von diesem Prozedere nicht: Wie zu lesen war, be­stand Ezzatis „Untersuchung“ der chilenischen Legionärs-Universität Fi­nis Terrae in einem einstündigen Treffen mit dem akademischen Rat.

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