vonDetlef Guertler 04.01.2010

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Das Verb “nullen” ist ebenso locker wie mehrdeutig. Für den Duden ist es umgangssprachlich für “ein neues Lebensjahrzehnt beginnen”, ich habe es in meiner aktiven Sportlerzeit vor vielen vielen Jahren verwendet für eine eigene Niederlage (ich habe genullt) oder die des Gegners (ich habe ihn genullt), beides ist in diesem Sport auch heute noch üblich. Dem Elektriker handelt es sich um die Verbindung von blauem Kabel und Erde oder so ähnlich, und dem Automechaniker um das Zurückstellen des Tachometers auf Null.

Absolut neu war mir hingegen die Verwendung dieses Verbs in der reflexiven Form, wie sie Niggemeier-Leser Maurice Morell heute praktizierte:

Wir schreiben das Jahr 2010, der Wandel ist tiefgreifend. Sie „diskutieren” hier auf einem „Old School”-Level, das beschämend ist. Jeder will gut dastehen. Lachhaft. Trefft Euch, haltet die Kamera darauf, streamt es. Und vorher nullt Euch.

Gemeint ist sicherlich das Mechaniker-Nullen: So wie der Tacho zurück auf Null gesetzt wird, sollen auch die Teilnehmer der Debatte alle bisher wechselseitig zugefügten Beleidig- und Kränkungen abhaken und noch mal von vorne anfangen.

Gute Idee. Vermutlich ist aber das Eigennullen, das Voraussetzung für die reflexive Verwendung des Verbs ist, ein reichlich hoher Anspruch. Anders als der Tacho sind zwar Menschen theoretisch in der Lage, aus eigener Kraft zu einem früheren Status zurückzukehren, in der Praxis aber werden sie dafür üblicherweise fremde Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Wenn sich also Stefan Niggemeier und Konstantin Neven DuMont tatsächlich vor irgendeiner Kamera zu irgendeiner Diskussion zusammenfinden, werden sie vorher wohl nicht “sich” nullen, sondern von einem Moderator genullt werden. Und wenn auch das nicht, ist die Debatte sowieso von Anfang an genullt.

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