Wenn Reptilien schon mal Titelhelden eines Kinofilms sind, dann weiß man in aller Regel, dass sie dabei a) nicht besonders gut wegkommen, b) das Ende des Streifens nicht überleben und c) der Film ziemlich billiger Trash ist. Zumindest im dritten Punkt bildet „Snakes on a plane“ eine gewisse Ausnahme, denn schon allein Hollywood-Star Samuel L. Jackson („Star Wars“, „Pulp Fiction“) sollte so billig nicht zu haben sein.
Da hat der Computer etwas aus einer Gabunviper o. Ä. gebastelt. Foto: Warner Bros
Edel-Trash also, mit Vorsatz und geplantem Kult-Faktor, und erst schien auch alles ganz wunderbar zu klappen, so wunderbar, dass die Erwartungen an den Kinostart riesig waren. Denn schon Monate zuvor hatte sich im Internet, angefacht einzig durch den idiotischen, aber immerhin präzisen Titel und eben Jacksons Engagement, eine riesige Fan-Gemeinde gebildet, die in verschiedenen Weblogs fröhlich vor sich hin fabulierte, was denn in diesem Film so passieren könne, ausschweifende Hintergrunddiskussionen führten, verschiedene Plots ersonnen, Snakes-on-irgendwas-Fotos und -Montagen jeder Art anfertigten und jede Menge Songs schrieben. Von diesem Vorab-Geschehen befeuert, entschied New Line Cinema anschließend sogar, einige Szenen nach Vorschlägen der Gemeinde nachzudrehen.
Rauchen & Sex auf der Flugzeugtoilette – wird prompt bestraft. Fotos: Warner Bros
Jetzt ist „Snakes on a plane“ also in den Kinos angelaufen und hat gleich eine ordentliche Bruchlandung hingelegt. In den USA blieb er deutlich hinter den Erwartungen, wenn er sich inzwischen wohl mit knapp 40.000.000 $ Einnahmen weltweit auch mühsam in die Schwarzen Zahlen gespielt hat, in Deutschland wollten ihn in der ersten Woche nur 35.000 Kinobesucher sehen. Zum Vergleich: Wochen-Spitzenreiter „Cars“ lockte über 400.000 Zuschauer.
Bei dem ganzen Theater drumrum droht man den Film selbst fast zu vergessen. Dessen Handlung ist schnell erzählt, im Grunde sagt der Titel ja auch schon alles. In einem Flugzeug sind aus Gründen, die plausibel zu erklären der Drehbuchschreiber keine Lust hatte, jede Menge Giftschlangen an Bord, die durch Pheromone wild gemacht worden sind, in den Passagierraum kriechen und alles kurz und klein beißen. Das war´s eigentlich auch schon. Eines kann man dem Epos ganz gewiss nicht vorwerfen, nämlich dass es nicht gradlinig sei. Der Film hält sich weder mit Vorgeschichte noch mit Personal groß auf, schon nach geschätzten 10 Minuten sitzen alle im Flugzeug, und das Gemetzel beginnt. Vorgestellt wird nur ein Minimum an Personen, die durch die Bank derart nervig sind, dass man ihnen sofort eine Kobra an den Hals wünscht, aber mangels weiteren eingeführten Personals weiß man, dass diese Gestalten am längsten durchhalten müssen, der Rest der Passagiere ist eh nur Kanonen- bzw. in diesem Fall eben Schlangenfutter. Es geht auch gleich in die Vollen, kein langsames Anbahnen der Gefahr, nein, die Reptilien krauchen gleich zu Dutzenden vor und geben richtig Stoff. Die Altersfreigabe erst ab 16 Jahren ermöglicht einige ziemlich unappetitliche Szenen, die Schlangen verbeißen sich bevorzugt in Geschlechtsteile und Augen, und ansonsten sorgt das Setting im Flugzeug natürlich für das ganze Katastrophenfilmprogramm, da wird nichts ausgelassen. Wäre das alles nicht so vollständig durchgeknallt, wäre es ziemlich uninteressant, so aber haftet dem ganzen ein gewisser rabiat-klamaukiger Charme an. Hier müssen einige Leute einfach eine Menge Spaß gehabt haben, diesen Unsinn zusammenzufilmen, und dieser Spaß überträgt sich durchaus auf den Zuschauer, zumindest wenn man nicht allzu feingeistig ist (aber dann würde man den Film schon aufgrund des Titels ohnehin meiden). Hinzu kommt ein teils etwas derber, teils aber auch überraschend subtiler Humor. Dass der Film es trotz allem schafft, nicht in eine Persiflage abzudriften, ist durch bemerkenswert. Nett ist übrigens auf jeden Fall die Musik, besonders ein ziemlich schräges Video einer Fan-Band im Abspann.
Herr Jackson plaudert telefonisch mit dem Herpetologen über seinen Fund. Foto: Warner Bros
Kommen wir zum reptilienkundlichen Teil, wenn man es so nennen will. Dass Giftschlangen eigentlich nicht dazu neigen, wahllos Leute zu attackieren und irgendwelche Kabel durchzubeißen, weiß wohl auch das breite Publikum, also müssen halt die ominösen Pheromone als Erklärung herhalten. Hier nur zur Klarstellung: Sowas gibt es natürlich nicht (also, Pheromone schon, aber nicht in der gezeigten Anwendung, außerdem machen Pheromone Schlangen geil und nicht bösartig). Aber immerhin ist dem Film anzurechnen, dass er sogar eigens darauf hinweist, dass Giftschlangen eigentlich keine Menschen angreifen. Die Giftwirkung ist im Film ziemlich zackig. Das könnten sich echte Giftschlangenopfer tödlicher Arten nur wünschen, dass sie so schnell umfallen. Ansonsten umfasst das Panoptikum der Titelhelden jede Menge Königs-, Korn-, Erd-, Wasser- und Perlnattern, Königs-, Tiger- und Boelens Pythons sowie Grüne Baumpythons. Allesamt komplett harmlos und vor allem absolut ungiftig. Da die also alle nicht sonderlich als Horror-Giftschlangen taugen, sind sie ein bisschen am Computer umgearbeitet worden, und hier und da wird auch mal eine echte Giftschlange untergemischt, man sieht Mokassinschlange, Schwarze Mambas, Kobras, Klapperschlangen und Lanzenottern, auch die sind am Computer aber noch ein wenig aufgesext worden. Zuständig für die Reptilienkollektion waren die Filmtierausstatter Jules Sylvester und Brad McDonald. Sylvester dazu: „Als ich mich zum ersten Mal mit dem Produzenten und dem Regisseur traf, wollten sie Taipane und Vipern und ein paar wirklich tödliche Puffottern. Tiere, die Dich wirklich ins Jenseits befördern. Ich sagte: ´Klar, können wir machen, aber mit ihnen in einem Flugzeug voller Leute zu arbeiten und einem Kamerateam gleich daneben, ist vielleicht keine so gute Idee.´“ Deswegen entschloss man sich zu Schlangen, die irgendwie Giftschlangen ähnlich sehen (na ja, zumindest näherungsweise), immerhin gut 200 Stück, dazu kamen dann noch 250 Strumpfbandnattern (eine Art Laborratte unter den Schlangen) als wuselnde Statisten – als Reptilienfreund kann der Film auch so Spaß machen, nämlich als lustiges Schlangenraten: Was ist das? Beziehungsweise: Was war das, bevor der Computer kam?
Kein Grund zur Aufregung, eigentlich. Das ist doch nur eine harmlose Kettennatter. Foto: Warner Bros
Weil nicht nur die Luft, sondern auch die Handlung in 10.000 m Höhe über die gesamte Filmlänge doch etwas dünn ist, wurde sie noch durch etwas Action am Boden aufgebessert. Dafür braucht es einen Herpetologen, der gute Tipps geben und für das nötige Antiserum nach der Landung sorgen soll und der merkwürdigerweise für diesen Job auf eine genaue Schlangen-Besetzungsliste besteht, die die Passagiere aber natürlich nicht liefern können, weshalb dann eben noch unbedingt der Schlangendealer gesucht werden muss. Auch dieser Handlungsstrang ist komplett krude und bemüht sich nicht mal ein bisschen um Plausibilität, bringt aber etwas Abwechslung in das Geschehen, der Herpetologe ist zudem ein echter Sympath, der sich vor allem um die Erstnachzucht seiner Nattern von Antigua sorgt. Der Schlangendealer dagegen ist ein Finsterling, der als Einsiedler in der Wüste von Kalifornien lebt, allerdings besteht seine Rolle ohnehin nur darin, wegzulaufen, umzufallen und sich beißen zu lassen. Am Ende dann landet das Flugzeug natürlich doch, die Schlangen werden entsorgt und die Überlebenden knuddeln sich ein bisschen. Und so muss es ja auch sein.
Herr Jackson und ein Kobra-Imitat Foto: Warner Bros
Bleibt noch kurz auf das Internet-Phänomen hinzuweisen. Alles fing an mit einem Fan, der die Idee des Films so überzeugend fand, dass er ein eigenes Weblog dazu vollschrieb. Dann gibt es noch Seiten mit Hunderten von Fan-Songs, die zwischen ziemlich gut und äußerst eigenwillig changieren, eine Vorschlagssammlung alternativer Filmenden sowie eine erstaunliche filmwissenschaftliche Analyse und Dutzende weiterer Seiten, durch die man sich klicken kann, auf denen einfach nur Quatsch-Fotos zu sehen sind oder jede Menge Fan-Artikel oder Artikel über die die sexuellen Motive in „Snakes on a plane“ im Kontext der westlichen Moralvorstellungen, nicht zu vergessen ein umfassender Wikipedia-Artikel mit Dutzenden Verweisen – da ist man fast ein bisschen platt. Man kann wohl mit einiger Berechtigung sagen, dass noch kein anderer Kinofilm eine solche Schlangenmanie ausgelöst hat.
Kurzes Fazit: Snakes on allem.