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Für viele ist Fußball der grenzüberschreitende Sport schlechthin. Die aktuelle Europameisterschaft hat das in den vergangenen Wochen ganz eindeutig gezeigt: In einem fairen Wettkampf sind die besten Fußballer der europäischen Länder gegeneinander angetreten – heute steht das große Finale an. Und auch wenn es bei einzelnen Fangruppen zu Ausschreitungen und Skandalen gekommen ist, insgesamt überwiegt doch der Eindruck: Deutschland konnte sich mit der EM als weltoffene Nation präsentieren.
Politisch interessant ist allerdings: Gerade bei dieser weltoffenen Veranstaltung ist es an den deutschen Grenzen zu verschärften Kontrollen gekommen. Laut Angaben des SPD-geführten Innenministeriums soll das die Sicherheit bei der Europameisterschaft gewährleisten. Jetzt, da sich die EM ihrem Ende zuneigt, sind insbesondere bei der FDP Stimmen laut geworden, die eine Fortsetzung der Grenzkontrollen fordern.
Christian Dürr ist Fraktionschef der Liberalen im deutschen Bundestag. Er befindet die Grenzkontrollen als eine effektive Methode, illegale Einwanderung nach Deutschland zu stoppen. Darum resümiert er: „Ich halte es für bedenkenswert, die Grenzkontrollen beizubehalten, die wir zur EM eingeführt haben.“ In den vergangenen Tagen waren ähnliche Maßnahmen bereits von Politikern der Union angesprochen worden.
Für die FDP ist es vor allem die „irreguläre Migration in die Sozialsysteme“, die man „abstellen“ wolle. Eine Partei, die die Freiheit schon im Namen trägt, diskutiert also ganz öffentlich Law and Order. Gleichzeitig vertreten die Freien Demokraten eine überaus wirtschaftsfreundliche Politik. Aber halt! Hört man aus der Wirtschaft nicht ständig, dass es an allen Ecken und Enden an Fachkräften mangele? Und wie war das nochmal mit der Überalterung der mitteleuropäischen Gesellschaften?
In Deutschlands Schulen lernt jeder Teenager: Die Bevölkerungspyramide der bundesrepublikanischen Gesellschaft ist schon lange in eine Urnenform übergegangen. Und der Name lässt es eigentlich schon vermuten: Wenn ein Bevölkerungsdiagramm so geformt ist, läuft eine Volkswirtschaft Gefahr, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln – zumindest überspitzt ausgedrückt. Die Schlussfolgerung: Eigentlich könnte Deutschland froh sein, über jeden, der hier eine Arbeit ergreifen könnte. Denn es fehlt an allen Enden der Nachwuchs.
Wenn eine Person im arbeitsfähigen Alter in unsere Gesellschaft kommt, ist das eigentlich eine Chance für die Republik: Eigentlich müsste die Diskussion genau anders herum geführt werden. Anstatt uns über vermeintliche „Immigration in die Sozialsysteme“ zu beschweren, müssten wir unsere Integrationsleistung verbessern. Und: Wie weit ist es eigentlich von der Immigration in die Sozialsysteme zum Unwort Sozialtourismus?
Die FDP-Fraktion findet, dass willkommen sei, wer hart arbeite und „seinen Teil zum Wachstum in Deutschland und Europa“ beitrage. Betrachtet man die Diskussion nun wieder von demografischen statt populistischen Gesichtspunkten widerspricht sich die FDP hier selbst: Langfristig kann Deutschland froh sein, wenn Menschen in’s Land kommen – denn eine überalterte Wirtschaft wächst nicht von rechten Stammtischparolen.
Mal ehrlich: Wer sich für eine bessere Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt einsetzt, denkt nicht zuletzt auch an sich selbst. Der Egoismus, der aus der Aussage der Bundes-FDP spricht, könnte sich langfristig als Schuss ins eigene Knie entpuppen. Ein bisschen paradox sind diese Aussagen doch: Seit wann ist der Wirtschaftsliberalismus denn nicht mehr für freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr?
Bei einer Großveranstaltung im ganzen Land auf Kontrollen der Grenzen zu setzen, ist wohl vernünftig. Allerdings genau dann, wenn es um die Gewährleistung der gesellschaftlichen Sicherheit geht – nicht um den Ausschluss bestimmter Personengruppen. Oh, und wer hat sich da nochmal geäußert? Die Gewerkschaft der Polizei? Ach ja, die hält langfristige Grenzkontrollen nicht für machbar. So kann der Stimmenfang am rechten Rand also doch scheitern – an der Realität.
Hinweis: Dieser Text erschien zuerst auf „Politische Perspektiven“.
Dieser Text von Fabian Schaar ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.