vonsaveourseeds 24.07.2009

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Lassen sich Umwelt- und Bioverbände von Annette Schavan über deren „Runden Tisch zur Grünen Gentechnik“ ziehen? Während Ilse Aigner dem Treffen diesmal fern blieb, das Schavan zur Verteidigung der Gentechnik gegen ihr Gentechnik-Anbauverbot eingerichtet hat, erschienen die Verbände mit zusätzlichen Experten und einem Thesenpapier zur Sicherheitsforschung. Auf der Webseite des Forschungsministeriums war prompt die Rede von „ersten Annäherungen in der Gentechnikdebatte“ während sie sich ansonsten in Seitenhieben gegen die CSU erging.

So wenig Spielraum für eine ernsthafte und offene Auseinandersetzung mit der Problematik und mit den Widersprüchen innerhalb der Gesellschaft und auch innerhalb der regierenden Koalition wie jetzt im Vorwahlkampf war noch nie. Was also darf man da von einem zu zwei Drittel mit handverlesenen Gentechnik-Fans aus Industrie- und Wissenschaftskreisen mit etwas Bauern-, Kirchen- und Verbändebeiwerk ausser Glaubensbekenntnissen erwarten?

Die Forderungen der Umweltverbände seien doch längst erfüllt meinten die „Experten“. Sie stimme mit den Zielen der Verbände in den meisten Punkten überein, wird Deutschlands Gentechnik-Freisetzerin Nr.1, eine Professorin aus Rostock, zitiert, nur nicht über den Weg dorthin. Sie sei zufrieden, dass sich die Verbände von „gewalttätigen Feldzerstörungen distanzierten“. Das sollten sie jetzt öfter auch öffentlich tun.

Ein Papier zu den Forschungsschwerpunkten und -perspektiven des Ministeriums, das den Teilnehmern vorgelegt wurde, ergeht sich in Allgemeinheiten und Modernismen. Nehmen Sie dies: „Für diese nachhaltige Nutzung von Pflanzen als Fabrik der Zukunft für Ernährung, Energie und Rohstoffe sind im Sinne einer wissensbasierten Bioökonomie die mulekulargenetischen und biochemischen Grundlangen komplexer Merkmale in Nutzpflanzen wie Ertragspotential, biotische und abiotische Stresstoleranzen sowie Ernährungs- und Prozessierungsqualitäten bis heute weitgehend unverstanden.“ Sind sie das? Die Antwort des Ministeriums und der Industrie auf diesen Mangel hört übrigens auf den Namen „Gabi„.

Annette Schavan erklärte einmal mehr, angesichts von Klimawandel und Hunger, könne auf Gentechnik nicht verzichtet werden. Bei der nächsten Runde im Oktober soll deshalb neben Antworten auf die Forderungen der Umweltverbände die Rolle der Gentechnik bei der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und Bekämpfung des Hungers auf der Tagesordnung stehen.

Die spannendste Frage ist zweifellos, wer diesem Runden Tisch, der für Oktober geplant ist, vorsitzen wird. Dass Schavan, egal wie sie ausgehen, die Wahlen als Ministerin schwerlich überleben wird, pfeiffen derzeit die Spatzen von den Dächern.

Als Renate Künast 2001 unversehens Landwirtschaftsministerin wurde und sich in dem Zusammenhang auch die Zuständigkeit für die Gentechnikpolitik erstritt, richtete sie auch erst mal einen „Diskurs Grüne Gentechnik“ ein. Der tagte – immerhin in etwas ausgewogenerer Runde – dann ein Jahr lang um des Kaisers Bart, ohne dass es zu einem kreativen Austausch von Ideen und Argumenten, geschweige denn zu Lösungen des Konfliktes kam. Gut, dass man mal darüber geredet hat. Derweil strickte sie ein Gentechnikgesetz, das zwar nicht ihren Überzeugungen entsprach, aber immerhin eine Verursacher-Haftung für mögliche Schäden einführte und von ihrem Nachfolger Horst Seehofer im Wesentlichen beibehalten wurde.

Als profunde Kennerin der Runden-Tisch Taktik wollen wir ihr zu dem Thema das letzte Wort lassen: „Schavans Runder Tisch ist eine Farce. Er bestätigt nur die Verstrickung von Konzerninteressen und öffentlichen Behörden. Der Ministerin geht es gar nicht um eine ergebnisoffene Diskussion. Sie hat mit ihren Gentechnik-Lobeshymnen in der Presse schon vorab klar gemacht: das Ergebnis soll pro Gentechnik lauten. Die Aufgabe einer Forschungsministerin ist es nicht, die Risiken der Gentechnik zu leugnen, sondern für eine gute Sicherheitsforschung zu sorgen. Hier ist auch Ilse Aigner in der Pflicht, Vorsorge und Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Schavan ist dafür verantwortlich, dass Millionenbeträge aus der Risikoforschung zweckentfremdet werden für die Entwicklung neuer Genpflanzen und die PR-Maschinerie der Genlobby. Das Argument, Genpflanzen seien nötig gegen Hunger und Klimawandel, ist aus der Mottenkiste. Schavan vertritt die Interessen internationaler Konzerne, die ihre Produkte und Patente profitabler vermarkten wollen. Die moderne Züchtung ist über transgene Pflanzen längst hinaus. Das bestätigen auch die Experten für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag. Agrogentechnik ist überflüssig, macht abhängig und löst keine Probleme, sondern verursacht neue.“

Ähnlich klare Worte stünden den Umweltverbänden vielleicht auch besser zu Gesicht.

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