vonDetlef Guertler 17.06.2009

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Aus kalendarischem Anlass heute in einem schmalen Bändchen der “Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland” geblättert, das ich beim letzten Bücher-Flohmarkt in Marbella für 50 Cent erstanden habe. Titel: Der 17. Juni 1953. Erscheinungsjahr: 1957. Autor: Arnulf Baring, damals 25 Jahre jung. Eine Passage daraus weckte mein wortistisches Interesse:

Das einzige Großwerk des Industriezweigs (Schwerindustrie, D.G.), das nicht streikte, war das Eisenhüttenkombinat Ost in Stalinstadt bei Frankfurt an der Oder. … Stalinstadt, “die erste sozialistische Stadt Deutschlands”, ist ein erster Versuch auf deutschem Boden, die planmäßige Umgestaltung der Gesellschaft an einem Probefall in Angriff zu nehmen. Stalinstadt ist dazu ausersehen, eine “Sozialfestung” (Stammer) zu werden, von der aus systematisch in die alte Gesellschaftsstruktur eingebrochen werden kann.

Die Festung wird hier also nicht als letztes Bollwerk gegen anbrandende Barbarenhorden gesehen, wie es heute üblich ist, wenn von der “Festung Europa” die Rede ist, sondern als befestigter Ausgangspunkt für offensive Attacken gegen eben solche Barbaren.

Auch wenn es mit der Sozialfestung Stalinstadt im weiteren Verlauf der Geschichte doch nicht so geklappt hat – ein bisschen von dem Offensivgeist, der sich in diesem Gebrauch des Festungs-Begriffs zeigt, könnte auch unseren heutigen Festungskommandanten gut tun. So wie in jenem Satz, den vor zehn Jahren Dominique Strauss-Kahn, damals französischer Wirtschaftsminister, in Paris der versammelten europäischen Medien- und Internet-Elite servierte: “Ein Fortschritt ist nur dann ein Fortschritt, wenn er allen Menschen zugute kommt.”

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