Dass der Mann tatsächlich Landwirtschafts- und Verbraucherminister wird, ist zwar glücklicherweise nicht zu befürchten.Dennoch ist die Berufung des Bauernverbands-Vize und Agrar-Industriellen Udo Folgart in das Schatten-Team von Frank-Walter Steinmeier ein programmatischer Schlag ins Kontor: Ein vehementer Befürworter von Gentechnik, Agrarsprit und Industriemilch vertritt jetzt das landwirtschaftliche Profil der SPD. Tiefer in den Filz von Bauern- und Raiffeisenverband, Agrarindustrie, Subventionslobby alter Schule und ehemaliger DDR-LPG-Seilschaften hätten die Genossen nicht greifen können. Wie sie mit einem derart groben Klotz Verbraucherinnen oder aufgebrachte Kleinbauern begeistern wollen bleibt ihr Geheimnis.
Folgart war vor der Wende Vorsitzender der LPG Paaren im Glien vor den Toren Berlins und wurde dann wie so viele nahtlos Geschäftsführer der Agro-Glien GmbH, die daraus hervorging. Mit 1200 Hektar Land, 400 Kühen und jährlich 287.622,36 Euro EU-Subventionen ein mittleres brandenburgisches Agrarunternehmen. Nebenbei ist er auch noch Geschäftsführer der benachbarten Agrargesellschaft Uetz-Bornim (81.513 EU-Euro). Sein agrarpolitisches Gesellenstück lieferte Folgart 1990 als Mitbegründer der Initiative MAFZ (Märkisches Ausstellungs- und Freizeitzentrum) ab, die heute in riesigen Hallen auf ehemaligen Roggenäckern der LPG u.a. die Brandenburgische Landwirtschaftsschau beherbergt, übermorgen zur „Misswahl“ einlädt und ansonsten, wie Folgart selbst, die deutsch-amerikanische Country-Freundschaft pflegt. Ein echtes Erlebniszentrum also im Havelland.
Seither hat Folgart sich zielstrebig nach oben gearbeitet: Landesbauernpräsident, Landtagsabgeordneter für die SPD, der jetzt vielleicht sogar beitreten will, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Nebenbei ist er im Beirat der Deutschen Bundesbank und der R&V Versicherung, Verwaltungsrat der landwirtschaftlichen Rentenbank, Präsident des Verbandes der Deutschen Milchwirtschaft und Gastgeber des Weltmilchgipfels in Berlin (drei Tage vor der Wahl). Posten, die sich bei einem Bauernfunktionär, der als Sonnleitners Kronprinz gehandelt wird, eben so ablagern und für die verbandstypische Interessensgemengelage sorgen.
Gentechnik
Mit dem Brandenburgischen Landwirtschaftsminister Woidke (auch SPD) streitet sich Folgart seit Jahren um das Thema Gentechnik. Als Woidke, der eher unglücklich ist, dass Brandenburg das Gentechnik-Anbaugebiet Nr.1 in Deutschland war, vor dem Einsatz von Mon 810 warnte, warf Folgart ihm Panikmache vor. Bei einer Podiumsdiskussion der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft, einem Sammelbecken der Agrarindustrie und ihrer Grosskunden, auf der letzten brandenburgischen Landwirtschaftsschau bekräftigte Folgart vor dem heimischen Publikum noch einmal: Agro-Gentechnik muß sein (Video, siehe 26-27 und 37).
Milchschwemme
Folgart ist, ein Posten der extra für ihn geschaffen wurde, „Milchpräsident“ des deutschen Bauernverbandes und setzt sich hier vehement für eine Politik der Mengensteigerung statt Mengenbegrenzung ein. „ Ich halte es für eine trügerische Hoffnung, das Problem Milchpreis über die Mengensteuerung zu lösen. Die Quote ist ein Auslaufmodell. Um die Situation für die Milcherzeuger zu verbessern, muss der Absatz angekurbelt werden,“ sagte er gestern der Bauernzeitung. Für den Bund Deutscher Milchviehhalter und desen Kleinbauern ist Folgart deshalb ein rotes Tuch und der typische Vertreter der „Wachse oder Weiche“ Politik, die die Milchbauern an den Rand des Ruins treibt (wir hatten wiederholt berichtet.)
Agrosprit
In dem gleichen Interview bedauert Folgart zudem „Der jüngste Beschluss der Bundesregierung zur Senkung der Biokraftstoffbeimischung ist mehr als bedauerlich und stellt sicherlich keinen Anreiz dar. Dennoch haben wir Brandenburger mit der Bioethanolanlage in Schwedt ein Pfund in der Region, das wir nutzen müssen. Der Bedarf an Roggen aus hiesigem Anbau ist immens.„Der Betreiber der Anlage, Verbio machte im ersten Quartal diesen Jahres übrigens trotz aller Subventionen einen Verlust von 13 Mio Euro und ist derzeit nur zu 70% ausgelastet.
Seine Berufung in Steinmeiers Brigade nimmt Folgart zwar mit, aber so richtig überzeugt scheint er selbst nicht von dem Job. DPA zitiert ihn heute mit den Worten: „Ich komme aus der Lobby-Ecke, fahre eher die Verbandsschiene. An das Ministeramt verschwende ich noch keinen Gedanken.“
P.S.
Reaktionen: der alte Fahrensmann des DBV, Hans Heinrich Matthiesen freut sich in agrarheute über die Rolle rückwärts der SPD: Endlich wieder ein kompetenter Mann – der erste seit Karl-Heinz Funke – der die „agrarpolitische Lücke der Sotzis“ füllt und den „Populisten aus dem Süden“ gentechnisch Kontra gibt.
Der Bund ökologischer Lebensmittelwirschaft beklagt dagegen, dass Steinmeier einen Mann geheuert hat, der schon seit Jahren in der ökologischen Landwirtschaft kein Wachstumspotential mehr sieht.