vonDetlef Kuhlbrodt 16.10.2009

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Ich hatte weiter gespannt in dem neuen Buch von Rainald Goetz – „Loslabern“ – gelesen und musste bei dieser einen Passage richtig lachen, weil es mir exakt genauso gegangen war:

„Der Bankberaterin, die mich Frühjahr 2001 oder 2000, etwa drei Wochen jedenfalls vor dem damaligen Crash, zur Anlage der eben von Raabe und Mülheim gewonnen Preisgelder überreden wollte, hatte ich, wie sie immer drängender und mich immer gewaltsamer in die Ecke ihrer angeblichextrem vernünftigen Geldanlagevernunft hatte drängen wollen, plötzlich, innerlich aufspringend zu meiner mich selber in der Weise erstaunenden Innenwahrheit gesagt: verzeihen Sie, ich habe ANGST vor Geld. Damit war das Gespräch geilerweise erledigt.“

Der Science-Fiction-Autor Philip K. Dick („Bladerunner“) taucht auch plötzlich gegen Ende auf; oder ein Gespräch auf einer Party über Dick, dem Rainald interessiert zuhört. Dann las ich weiter in diesem Buch über Speed, „die allgegenwärtige graue Maus unter den Drogen“ von Hans-Christian Dany („Speed  -eine Gesellschaft auf Droge“; Nautilus2007), das mir B. gegeben hatte, die Speed gut findet und sich darüber ärgert, dass Speed als böse Droge gilt, während sich über Hasch, niemand beschwert, obgleich es doch nicht weniger Unheil anrichte.

Das Kapitel über Sartre, der Literatur immer nüchtern schrieb, bei philosophischen Büchern aber Speed zur Hilfe nahm; über Burroughs und Kerouac, über Judy Garland und den ersten, durch das Medium einer synthetischen Droge gesungenen Superhit „Over the Rainbow“, über Andy Warhol, die Factory etc., über die zehn Jahre, in denen Johnny Cash speedsüchtig war; über Andreas Baader als machistischen Speedjunkie. Über den speedsüchtigen Elvis Presley, der sich am Ende seines Lebens als freier Mitarbeiter dem FBI angedient und u.a. bekanntlich die Beatles als Financiers antiamerikanischer Umtriebe denunziert hatte; Alexander Hacke erinnert sich an die Zeit, als die Einstürzenden Neubauten von Kokain zu Speed wechselten, was arbeitstechnisch produktiver gewesen sein soll. (Ich dachte an diese Nachtbar in der Mittenwalder Straße, Ende der 80er, in der es einen mit DDR-Geld zu fütternden Speed-Automaten gegeben hätte, wie mir K. erzählt hatte)
Johnny Rotten taucht auf und die einleuchtende These, dass die Amerika-Tournee der Sex Pistols deshalb so desaströs gewesen war, dass sich die Band aufgelöst hatte, weil die Sex-Pistols auf Amphetaminentzug gewesen wären und sich so drogenlos (damals gab’s ja auch noch keine Playstation zum Ausgleich) ganz furchtbar auf den langen Busfahrten gelangweilt hätten. Es geht um das große Amphetamin-Revival im Zuge von Techno.
Es gibt die ganz einleuchtende, auch nicht ganz neue These, dass Speed vor allem auch deshalb so einen schlechten Ruf genießt, weil die aus der Mittelschicht kommenden, selbstzufriedenen Hippies auf verlangsamende Drogen wie Hasch und LSD standen und im Grunde ihres Herzens die zappligen Speedfreaks aus den unteren Schichten von oben herab verachteten.
Und ein besonders bescheuertes Zitat von des LSD-Propagandisten Timothy Leary, der erklärt hatte: „Jegliche Einnahme einer gefährlichen Substanz ist ein Angriff auf die Natur. Wenn du Amphetamine oder Barbiturate in deinen Organismus einbringst, handelst du genauso böse wie die Ölproduzenten, die Gifte in den Ozean leiten. Speed ist das Symbal einer Welt, die unangetörnt ist, eine Welt voller aufheulender, stinkender Maschinen“, sagte der, der am Ende seines Lebens so stolz darauf war, jeden Tag eine andere verbotene Droge zu nehmen.

Das Buch schildert ganz gut, wie Speed in Kriegen eingesetzt wurde, um die Kampfkraft der Soldaten zu erhöhen, wie man auf Speed verpeilt, sich physisch und psychisch ruiniert, eine Weile im Tunnel lang schreibt wie ein Irrer, dabei Übergänge nicht mehr hinkriegt, zu sprunghaft logischerweise wird usw.

Da der Konsum legaler Speedvarianten in den letzten zwei Jahrzehnten – durch die ADHS-Kampagnen, die wundersame Vermehrung kleiner aufmerksamkeitsdefizitärer Patienten der Pharmaindustrie – auch rapide zugenommen hat, scheint die Behauptung, Amphetamine seien die weltweit verbreitetste Droge ganz plausibel. Und es passt natürlich, dass der War On Drugs in der Zeit verstärkt wird und sich zunehmend gegen Amphetamine richtet (wie Anfang der Nullerjahre in Thailand), in der der legale Amphetaminmarkt immer größer wird.

Ziemlich störend und arg entnervend beim Lesen nur dies sich-in-Berühmtheiten-hineinversetzen, so reportagemäßig szenenhaft in der Gegenwartsform, über Sachen zu schreiben, bei denen der Autor nicht dabei gewesen war. etc.

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