vonDetlef Guertler 02.12.2009

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Der Verein Deutsche Sprache wählt jedes Jahr einen Sprachpanscher des Jahres, sein Vorsitzender Walter Krämer ist ein fulminanter Kämpfer für die Reinheit der deutschen Sprache und war früher mal ein ernstzunehmender Wissenschaftler. Die Brachialität, mit der er sich in seinem Kampf über Fakten und Argumente hinwegsetzt, die nicht in sein Feindbild passen, hat ihn jedoch aus dem Feld des Diskurses in das der Demagogie verschlagen – wodurch er sowohl sich als auch seinem Verein als auch seinem Anliegen massiv schadet.

Einen entsprechenden Fall hatte ich hier vor gut zwei Jahren diskutiert, einen anderen hat gerade Anatol Stefanowitsch im Bremer Sprachblog entdeckt. Es geht um den von Krämer seit mindestens neun Jahren verwendeten Begriff der “linguistic submissiveness”, also die sprachliche Unterwürfigkeit, die die Angelsachsen uns Deutschen angeblich attestieren, und die Krämer gerne mit “(so die Londoner Times)” ergänzt. Allerdings verwendet NIEMAND im angelsächsischen Sprachraum diesen Begriff bezogen auf die Deutschen und die Anglizismen. Und das Archiv der Londoner Times meldet genau eine Fundstelle für diesen Begriff, und die stammt aus dem Jahr 1960.

1960!!!!!

Egal, wer damals in welchem Zusammenhang diesen Begriff verwendete (Stefanowitsch hat für die nächsten Tage eine Rezension jenes Textes angekündigt): Ihn heute als Argument in einer aktuellen Auseinandersetzung zu verwenden, ohne auf sein ehrwürdiges Alter hinzuweisen, ist unwissenschaftlich, unredlich, unsachlich und unverfroren. Es handelt sich um eine “besonders bemerkenswerte Fehlleistung im Umgang mit der deutschen Sprache”, was nach Aussage des Vereins Deutsche Sprache Kriterium für die Wahl zum Sprachpanscher des Jahres ist. Da allerdings wohl niemand in diesem Verein den Mut hat, den eigenen Vorsitzenden derart zu küren, ernenne ich Walter Krämer hiermit zum Spruchpanscher des Jahres 2009.

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