vonHeiko Werning 18.03.2009

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BUND Heidelberg

Mauereidechse Foto: NABU Heidelberg

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Die Stadt Heidelberg schmückt sich gern mit dem Titel „Bundeshauptstadt im Naturschutz“, ist aber gleichzeitig der Austragungsort einer absurden Provinzposse auf dem Rücken des Naturschutzes. Auf einem 45 ha großen ehemaligen Bahngelände soll dort ein ganz neuer Stadtteil entstehen, mit dem sinnigen Namen „Bahnstadt“. Nun ist genau dieses Gelände allerdings der Lebensraum einer der größten deutschen Populationen der streng geschützten Mauereidechse. Und da darf man, diverser Naturschutzgesetze sei Dank, halt nicht einfach Häuschen drauf bauen. Deswegen musste ein Ausgleichsbiotop für die Mauereidechsen angelegt werden. Und da hätte man mal besser Fachleute befragt. Denn zum einen hat man bei einer ersten Populationsabschätzung wohl ziemlich schlampig gearbeitet: 510 Mauereidechsen ermittelte die Stadt bei ihren Erhebungen, in Wirklichkeit sind es 3.000–5.000. Dementsprechend ist das Ausgleichshabitat mit 2 ha viel zu klein für den großen Bestand. Das hat die Heidelberger nicht daran gehindert, in stoischem Gleichmut die Tierchen einzufangen und umzusiedeln. Ohne dabei zu bedenken, dass so ein neu angelegter Lebensraum erst einmal Zeit braucht, um überhaupt bewohnbar zu sein. Die Eidechsen müssen ja auch von irgendwas leben – von Insekten und anderen Krabbeltieren nämlich. Und die brauchen eine Weile, bis sie sich dort ansiedeln. Denn zuvor muss auch erst mal die Vegetation richtig sprießen. Nach Schätzungen von Fachleuten von NABU und DGHT (Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde) kann der neue Lebensraum derzeit eine Population von „nur wenigen dutzend Tieren Nahrung bieten“. Die Stadt Heidelberg hat im ersten Rutsch aber satte 1000 umgesiedelt – und damit um die 900 der streng geschützten Reptilien „in den sicheren Tod geschickt“, so NABU-Landeschef Andre Baumann.

N. Lutzmann

Die angebliche „Ausgleichsfläche“: Diaspora für Eidechsen Foto oben: N. Lutzmann; Foto unten: S. Panienka

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Aber damit nicht genug: neben den Mauereidechsen lebten im angehenden Bahnstadt-Areal auch Zauneidechsen, die ebenso geschützt sind. Die sind von der „Naturschutz-Hauptstadt“ gleich mal ganz übersehen worden. Und nicht nur das – die funktionsuntüchtige Ausweichfläche für die Mauereidechsen wurde wo errichtet? Genau: in einem funktionstüchtigen weiteren Zauneidechsenbiotop.
Den Planungen der „Bahnstadt“ tut das bislang keinen Abbruch – dort wird fröhlich weitergebaut, als wäre nichts. Damit auch die restlichen paartausend Mauereidechsen noch gezielt ins Jenseits übergesiedelt werden können (nachdem man sie mit Naturschutzgeldern fein säuberlich einzeln eingefangen hat).
Der schuppige Bodycount: zwei Zauneidechsenbiotope vernichtet, ein Mauereidechsenbiotop für 3.000–5.000 Tiere vernichtet, ein Mauereidechsenbiotop neu geschaffen, in dem vielleicht 100 Tiere überleben können. Und damit geben wir von der Bundeshauptstadt im Naturschutz zurück in die Bundeshauptstadt für den Rest.

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Umsiedlung ins Jenseits: Junge Mauereidechsen Foto: N. Lutzmann

N. Lutzmann

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