vonDetlef Guertler 16.02.2009

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“Nationalize the Banks! We’re all Swedes now”, heißt ein Artikel von Matthew Richardson und Nouriel Roubini in der gestrigen Washington Post. Und schon die ersten Zeilen machen unmissverständlich klar, was gemeint ist:

The U.S. banking system is close to being insolvent, and unless we want to become like Japan in the 1990s — or the United States in the 1930s — the only way to save it is to nationalize it.

Der Hinweis mit den Schweden zeigt, dass es den Autoren nicht so sehr darum geht, den Staat dauerhaft zum Eigentümer des Finanzsystems zu machen, sondern nur für die Zeit der Krisenüberwindung. So hatten es die Schweden Anfang der 90er Jahre gemacht: alle Krankbanken übernommen, die alten Aktionäre und Vorstände rausgeworfen, die Banken saniert oder geschlossen, und die wieder gesundeten Einheiten zurück an die Börse gebracht. Das ist eine etwas freundlichere Variante der alten Stamokap-Theorie, wonach im staatsmonopolistischen Kapitalismus der Staat den privatwirtschaftlichen Großkonzernen auskömmliche Verwertungsbedingungen sichert – in Schweden damals wurden nicht einfach die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert, sondern ein guter Teil der Gewinne blieb am Ende auch in der Staatskasse hängen.

Wenn das mit der Re-Privatisierung aber nicht mehr passiert, möglicherweise weil sich herausstellt, dass die Wirtschaft es mit einem staatlich organisierten Finanzsystem besser funktioniert, dann landen wir doch in einer Art Stamosoz, oder? Wie das gehen kann, und zwar gut gehen kann, hat 1888 Edward Bellamy in seinem Utopie-Klassiker “Das Jahr 2000” beschrieben. Die folgende Passage aus dessen 5. Kapitel liest sich nicht so, als wäre sie vor 121 Jahren geschrieben worden – sondern so, als würde sie in fünf Jahren geschrieben werden:

Im Anfang dieses Jahrhunderts wurde diese Vollendung vollzogen, indem sich das ganze Kapital der Nation konsolidierte. Die Industrie und der Handel des ganzen Landes hörten auf, von einer Anzahl Korporationen und Syndikaten von Privatpersonen ohne Verantwortlichkeit, nach eigenem Belieben zu eigenem Vorteil geführt zu werden, und wurden der Leitung eines einzigen Syndikats, das die Nation vertrat, anvertraut, um im allgemeinen Interesse und zum allgemeinen Vorteil betrieben zu werden. Die Nation, nämlich die eine große Geschäftskorporation, in welcher alle anderen Korporationen aufgegangen waren, wurde der einzige Kapitalist, der einzige Arbeitgeber, das einzige Monopol, welches alle früheren und kleineren Monopole verschlungen hat, ein Monopol, in dessen Gewinne sich alle Bürger teilen. Mit einem Worte, das Volk der Vereinigten Staaten beschloss, die Führung seines Geschäftes selbst in die Hand zu nehmen, grade wie es vor hundert und mehr Jahren die Leitung seiner Regierung selbst in die Hand genommen hatte, und organisierte die industriellen Verhältnisse nach denselben Grundsätzen als die politischen. Endlich hatte man begriffen – leider etwas spät – dass kein Geschäft so wesentlich Gemeingeschäft ist, als die Industrie und der Handel, von denen der Unterhalt des Volkes abhängt, und dass es eine ebensogroße, wenn nicht größere Torheit ist, sie Privatpersonen zu überlassen, um ihren Privatvorteil daraus zu ziehen, als Königen und Fürsten die Funktionen der Staatsgewalt zu überlassen, zum Zwecke ihrer persönlichen Verherrlichung.

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