vonFalk Madeja 30.10.2011

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Streifenkarte wird abgeschafft
Streifenkarte wird abgeschafft

Sie war ein gutes Stück niederländischer Nahverkehrs-Tradition: die Strippenkaart, zu Deutsch Streifenkarte. Sie gab es seit 1980, irgendwann in zwei Versionen: mit 15 bzw. 45 Streifen. Gültig im ganzen Land, das wiederum in Zonen aufgeteilt war. Sie löste 1980 ein Wirrwarr an lokalen und regionalen Fahrkartensystemen ab. So funktionierte sie: der Fahrgast suchte sich heraus, wieviele Zonen er befahren wollte – und dann knickte er entsprechend der Zonenzahl die gleiche Anzahl Streifen plus einen Streifen extra um und entwertete diese am Automaten. So wie etwa in München.

Jährlich wurden um die 100 Millionen Streifenkarten verkauft. Nach 31 Jahren wird die Streifenkarte nun abgeschafft. Ab Donnerstag, dem 3. November, gilt dann im ganzen Land wie jetzt schon in Rotterdam, Den Haag und Amsterdam nur noch die OV-Chipkaart. Eigentlich ein praktisches System. Der Fahrgast hat eine Plastikkarte mit Guthaben, die er beim Einsteigen gegen einen Scanner gehalten werden muss. Dann wieder beim Aussteigen – und so errechnet das System die tatsächlichen Fahrkosten. Ein Vorteil gegenüber der Streifenkarte, da die man beim Fahrtantritt an Zonengrenzen mal schnell eine Zone extra bezahlen musste. Es wurde viel in das System investiert, allein das Verkehrsministerium steuerte 130 Millionen Euro bei und die Niederländische Bahn mehr als 500 Millionen Euro. Dafür wurden bsw. auf vielen Bahnhöfen Zugangspforten gebaut, die u.a. auch die Schwarzfahrerei eindämmen sollen.

Es gibt drei verschiedene OV-Chipkarten, die persönliche, die anonyme und die Fahrkarte für den einmaligen Gebrauch. Die persönliche Chipkaart ist vor allem für die Einheimischen praktisch. Die lädt sich nämlich automatisch vom Konto auf. Die anonyme Karte ist für die jenigen gut zu gebrauchen, die nicht wollen, dass ein Bewegungsprofil entsteht. Die Karte für den einmaligen Gebrauch ist ziemlich teuer, in Amsterdam bsw. 2,60 Euro für eine Stunde. Zum Vergleich Berlin: 2,30 Euro für zwei Stunden. Das mit den Kosten ist sowieso so eine Sache. Im Prinzip kann jeder Nahverkehrsfirma eigene Kilometer-Preise festlegen, sie liegen etwa so zwischen zehn und 15 Cent. Dazu noch ein Basistarif von 79 Cent und eine Art Pfand-Tarif, der bei vier Euro in den Städten und 20 Euro bei der Bahn liegt. Dieser Betrag wird erstmal zur Sicherheit des Betreibers abgebucht und später entsprechend der tatsächlichen Kosten gut geschrieben.

Das ist dann auch der größte Haken an der OV-Chipkaart. Denn wer vergißt beim Aussteigen auszuchecken, der bezahlt dann halt diese vier bzw. 20 Euro Euro, auch wenn er nur für sagen wir 1,15 Euro gefahren ist. Man kann den Betrag zurückbekommen, wenn man beweist, wie man tatsächlich gefahren ist. Umständlich.

Es gibt noch andere Nachteile, vor allem für Touristen. Denn die müssen sich ja ein anonyme OV-Chipkaart anschaffen – und damit sind einmalige Kosten von 7,50 Euro verbunden! Außerdem habe ich noch nicht gesehen, dass man diese Karte bsw. im Ausland kaufen kann, erst bei Ankunft also. Dazu kann die nur mit minimal fünf Euro aufgeladen werden, ob man die nun abfährt oder nicht. Auch bei internationalen Zügen, gen Deutschland, nutzt die Karte nicht viel. Man kann zwar als Inhaber einer niederländischen Bahncard, der VU- bzw. Kortingskaart, sich auch die Funktion der OV-Chipkaart freischalten lassen. Aber dann müsste man bei der Fahrt von Amsterdam nach Berlin theoretisch in Bad Bentheim aus dem Intercity nach Berlin springen, und sich auf dem Bahnsteig auschecken. Ist aber viel Risiko, da der Zug nur zwei Minuten oder so hält und man ja erst mal den Scanner finden muss. Wer mit dem Zug von Leeuwarden nach Leer in Ostfriesland fährt, kann die Karte wiederum benutzen. Dumm ist auch, dass diese niederländische Bahncard nur noch für Leute abgegeben wird, die in den Niederlanden ein Bankkonto haben. Also Leute bei der Niederländischen Bahn, ihr macht es den Kunden aus Deutschland nicht einfach.

Die OV-Chipkaart ist auch ein beliebtes Thema bei Hackerkreisen. Sie kann nämlich manipuliert werden. Freunde von der Uni Nimwegen haben sich bsw. mit ein paar technischen Tricks ihr Saldo erhöht. Diese Diskussion taucht immer wieder mal auf, 100 Prozent sicher wird die OV-Chipkaart wohl nie sein, denke ich.

Alles in allem finde ich persönlich die OV-Chipkaart angenehmer als die Strippenkaart. Zeitweilig lagen bei mir zu Hause immer ein paar dieser Streifenkarten herum, bei denen der letzte Streifen nicht abgefahren war. Oder ich musste einen Kiosk finden, wo die Karte überhaupt zu kaufen war. Mit der OV-Chipkaart ist das jetzt einfacher, auch wenn nach meinem Geschmack in Amsterdam zu wenig Automaten zum Aufladen vorhanden sind.

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