Die Stadt- und Programmzeitung »Falter« ist unverzichtbar für jeden Wienbenutzer, der mehr Ansprüche an das Leben stellt als Arbeiten & Schlafen. Die Hälfte der Leserschaft besteht dort seit jeher aus angehenden Akademikern, weshalb die Ausgaben dieser Wochen seitenweise Studentenfutter für die Erstsemestrigen enthalten. Diesmal ein Studentenmagazin in Augenhöhe: von Studierenden für Studierende.
Im der Falter-Beilage »Durst« (41/06) stellt eine sechsköpfige Redaktion mit Zeichnungen von Tom Mackinger acht Studenten-Typen nach streng wissenschaftlichen Kategorien vor – acht Wiener Studiosi, respektive vier Studentenpaare, die nichts als der planke Lebensdurst in die Hörsäle treibt.
Wie muss man sich also den Wiener Studenten heute vorstellen?
Da ist zunächst der Typus HIPPIE, der mit dem Flower-Power der Sixties allerdings nur mehr die Umhängetasche gemein hat. Der neue Hippie studiert Publizistik oder Politikwissenschaften, er trägt die aktuelleste David-Beckham-Frisur, besitzt einen orginal I-Pod und treibt sich in seiner Freizeit in Flagshipstores herum. Die dem Hippie beigeordnete Eva heisst GIRLIE, studiert Theaterwissenschaften oder Sprachen, kauft gern in der Neubaugasse in Mariahilf ein und träumt von Modeln statt Studieren.
In sanfter Opposition dazu sieht das Falter-Team den ÖKOLOGISCHEN Studenten und die ESOTERISCHE Studentin, zwei Typen, die eindeutig die dominierende Grünwählerfraktion in der Österreichischen Hochschülerschaft repräsentieren. Der Öko-Student steckt seine Nase in biologische oder philosophische Bücher, hört am liebsten »Best of Digeridoo II«, züchtet am Küchenfenster Marihuana und trägt atmungsaktive Waldviertler Schuhe (für Manufactum reicht die Brieftasche noch nicht).
Sie, die Eso-Frau, versucht sich in Völkerkunde plus Ernährungswissenschaften, verehrt Ravi Shankar und schmückt ihren Kopf mit Zöpfchen in Violett, Grün und Blau, die unter einem Seidentuch hervorlugen. Man sieht schon: Dieser Öko & diese Eso gehören eher der Fundamentalisten-Fraktion als den Realos der Grünbewegung an.
Paar Nr. 3 bilden die NETWORKERIN und der CHECKER. Ihre Attribute: Steckfrisur und Kurzhaarschnitt, Pharmazie oder Betriebswirtschaft, Anastacia und Don Gil, Burberry-Schal und Tennisclub, Erdbeernektar und Red Bull, Blackberry und Breitling. Damit ist soziologisch klar die Oberschicht getroffen; Networkerin und Checker dürften kaum auf Nebenjobs angewiesen sein (zu meiner Zeit hiessen sie Yuppies und fuhren die bereits in einem VW Golf vor).
Kulturell stehen die beiden zukünftigen Vertreter der Erfolgsgeneration in einem scharfen Kontrast zum letzten der Paare. Da ist zunächst der Physik oder Statistik studierende NERD, mit deutlich sichtbarem Ansatz von Geheimratsrecken. Seine Karottenjeans kauft Mama, er trinkt ausschliesslich Cola. Das weibliche Gegenstück, MAUERBLÜMCHEN, studiert entweder Geographie oder Latein, hört Nena, trägt Faltenrock, trinkt Obi Leitung und träumt von einer Audienz beim Papst. Die beiden sind Traditionalisten, haben kein Problem mit Brauchtum und Volksmusik, in einer Disco würde man sie blöd anschauen.
Überblickt man diese fröhliche Typologie, bildet das Kleeblatt der Erstgenannten klar das Falter-Zielpublikum. So sieht sich die Redaktion unzweifelhaft selbst und ihresgleichen: als Hippie, Girlie, Öko & Eso! Die konkurrierenden Verhaltensmodelle sind Feindbilder aus der gehobenen Bürgerschicht und dem verdrängten Bauerntum, mal zu reich oder zu spiessig, mal zu traditionell oder zu katholisch.
Ein stiller Teil der Wahrheit freilich ist, das gerade der Nerd und das Mauerblümchen auf der Fluren unserer ehrwürdigen Alma Mater Rudolphina dringend unter Artenschutz gestellt gehören. Alle übrigen Figuren laufen ja bis unter die Hautfalte geklont auch auf sämtlichen Massenuniversitäten von Berlin bis Sydney herum.
© Wolfgang Koch 2006
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