von 24.03.2010

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Wenn ich aus meinem Bürofenster auf die Long Street schaue, stechen mir deutsche Touristen, die gerade angekommen sind, sofort ins Auge. Sie wirken immer leicht verloren und schwer misstrauisch. Sie verstecken ihr am Bankomaten abgehobenes Geld ganz auffällig in unauffällige hautfarbene Bauchbeutel. Sie drehen sich oft nach hinten um. Sie fragen sehr viel – Ist es zu gefährlich hier zu parken?  Kann man hier abheben?  Darf man ins Taxi steigen? – und ihnen steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, wenn sie ihr Hotel abends unbeschadet erreichen. Sobald man mit ihnen ins Gespräch kommt, erzählen sie mit einer Mischung aus Faszination, Abscheu, Angst und Unglauben die grausamsten Horroranekdoten aus Südafrika. Dabei handelt es sich oftmals um Geschichten, die hierzulande unbekannt sind – wie zum Beispiel die Geschichte von der Frau aus Durban, die bei Tageslicht mitten auf der Strandpromenade von Durban vergewaltigt wurde.

Deutsche Besucher machen sich zunächst einmal überdurchschnittlich große Sorgen um ihre Sicherheit – und überhaupt auch die Sicherheitslage während der WM. Bei den ganzen Kriminalitätsstatistiken des Landes… Ja, dann gab’s ja auch noch Bombendrohungen bei der letzten großen WM-Veranstaltung im Dezember… und die Schießerei im tausende Kilometer entfernten Angola… Na, um Gottes Willen! Wie soll das denn nur alles während der WM werden—?!

Nein, bei der ganzen einseitigen Berichterstattung tut mir der deutsche Südafrika-Tourist schon wahnsinnig leid. Er muss das Gefühl haben, sich für eine leicht bessere Alternative als den Irak oder Afghanistan entschieden zu haben.  Dass es sich bei dem vermeintlichen al‘Qaida Sprengsatz am 5. Dezember um den Scherz eines 68-jährigen deutschen Fotojournalisten handelte (** in deutschen Newsportalen hieß es witzigerweise dazu ganz schlicht und ergreifend an dem folgenden Tag: „Bombendrohungen in Kapstadt“), der während der WM-Gruppenauslosung seinen Rucksack über die Absperrung des Galaeinganges warf, “Eine Bombe!“ schrie und dann wegrannte, ist bei der ganzen Alarmiertheit in Deutschland noch gar nicht durchgesickert.

Allerdings entspannt sich nach ein paar Tagen vor Ort das Bedrohungsgefühl des deutschen Touristen sichtlich – und auch sein Nacken. Und sogar bei der Häufigkeit, in der Gespräche über Kriminalität angeleiert werden, macht sich ein Abwärtstrend bemerkbar. Fünf unbeschadete Tage in Südafrika und Kriminalität macht nur noch 75 statt 90 Prozent des Gesamtgesprächsumfanges aus.

Mir persönlich ist noch nie etwas passiert. Entgegen der Befürchtungen von Eltern, Freunden und Verwandten bin ich bisher weder bedroht, noch abgestochen, noch ausgeraubt, noch entführt oder gar von einer Gang vergewaltigt worden –  und das Ganze ohne „Protektorvest“!

Diese in den Medien viel beachtete stich- und schusssichere Weste, die man sich als WM-Fan mit der bevorzugten Landesflagge individuell besticken lassen kann, lege ich im Übrigen keinem WM-Besucher ans Herz, der sich hier nicht zum Clown machen möchte.

Ein bisschen mehr zu Crime & Cape Town folgt die Tage …   🙂

eure elena **

Elena Beis. My Name is not Sisi. Kulturkollison x 11. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€

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