vonClaudius Prößer 25.09.2009

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Katholiken alle Länder, aufgehorcht: Chile kann bald einen Weltrekord ver­mel­den – die größte Karol-Wojtyla-Statue aller Zeiten. Errichtet werden soll das 13,5 Meter hohe Ungetüm (7,5 Meter Bronze-Papst, 6 Meter Sockel) ausgerechnet am Rande von Bellavista, dem Künstler- und Bo­he­me­vier­tel von Santiago . Seit die private Initiative vor wenigen Tagen pub­lik wur­de, regt sich freilich allenthalben Protest gegen den superpapa (so der Pub­li­zist Cristián Warnken im Blog des „Mercurio“).

Hintergrund des Aufstell-Papstes, der einem anderen religiösen Wahr­zei­chen Santiagos, der Marienstatue auf dem Gipfel des San-Cris­tó­bal-Bergs, Konkurrenz machen wird, ist die Umstrukturierung des Viertels, in dem zwei private Hochschulen ihre Hauptquartiere be­zie­hen werden. Die beiden Universitäten – die Universidad San Sebastián und die Universidad Andrés Bello – sollen zusammen mit der tra­di­tions­rei­chen Jurafakultät der Universidad de Chile, die hier seit vielen Jahr­zehn­ten residiert, rund 7.000 Studenten anlocken und neben dem Bar­rio República ein weiteres Hochschulviertel in der Hauptstadt begründen.

Im städtebaulichen Planungsprozess wurde irgendwann beschlossen, di­rekt gegenüber der Rechtsfakultät ein unterirdisches Parkhaus und oben­drauf eine „Plaza Juan Pablo II“ anzulegen. Von einer Statue, ge­schwei­ge denn von einer im Kim-Jong-Il-Maßstab, war damals zu­min­dest nicht öffentlich die Rede. Laut dem Blog „Plataforma Urbana“ war der su­per­pa­pa die Idee von Luis Cordero, einem der Gründer der ul­tra­rech­ten UDI und zurzeit Vizerektor der Universidad San Sebastián. Für die Um­set­zung bot sich praktischerweise Corderos Bruder Daniel an, der zu­min­dest handwerklich etwas von Bildhauerei versteht.

Fotos aus der Werkstatt, wo der JPII-Gigant gefertigt wird, lassen äs­the­tisch das Schlimmste befürchten. Der „Mercurio“ hat namhafte chi­le­ni­sche Architekten befragt, die sich allesamt – abgesehen von Cristián Boza, der das Gebäude der San Sebastián und den Papstplatz entworfen hat – erschüttert vor soviel Kitsch und Maßlosigkeit abwenden. Von links kommt natürlich fundamentalere Kritik an dieser katholischen Landnahme mitten in der Stadt, deren Urheber bislang noch nicht einmal die Ge­neh­mi­gung des Nationalen Denkmalrats eingeholt haben. Auf Face­book hat eine Gruppe, die gegen die Statue protestiert, in wenigen Ta­gen an die 4.000 Mitglieder vereint – darunter sicherlich viele Jura-Studenten der von Andrés Bello gegründeten Universidad de Chile, einer Hochschule, die sich immer als eine Keimzelle des laizistischen chi­le­ni­schen Staates verstanden hat.

Die Satirezeitschrift The Clinic bearbeitet das Dilemma auf ihre Art und macht Vorschläge, wie man weiteren großen Persönlichkeiten in Chile hul­di­gen könnte, unter anderem:

– Reiterstandbild von Genreal Pinochet (Höhe 100 Meter) auf dem Mahn­mal für den ermordeten UDI-Gründer Jaime Guzmán

– Marmorstatue für Nationaltrainer Marcelo Bielsa (51 Meter) vor dem Na­tio­nal­sta­di­on

– Sphinx mit den Gesichtszügen von Präsidentin Michelle Bachelet (22 Me­ter) auf dem Gelände des früheren Edificio Diego Portales

– Freihandelstatue (540 Meter, aus böhmischem Kristall), aufzustellen an der Bucht von Lota (nach dem Niedergang der Kohleförderung eine der ärms­ten Regionen Chiles), usw.

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