In der Fürbringer, Ecke Zossener Strasse, Berlin Kreuzberg, sitzt morgens eine ältere Frau vor einem Lokal mit dem Namen Melodie. Sie trinkt aus einem Pappbecher, ich denke es ist Tee. Ab und zu kaut sie an einem Brötchen. Wir haben heute morgen vier Grad unter Null. Sie saß an diesem Campingtisch schon bei 10 Grad unter Null, immer mit einem Kopftuch, blauem Mantel und neugierigem Blick. Irgend jemand bringt sie aus einem verlassenen bulgarischen Dorf oder von einem russischen Bauernhof direkt an diese Straßenecke.
Am Abend treffe ich mich mit einem Weinkenner in Schöneberg. Ich bin auf die Sekunde pünktlich im kleinen Sushi Laden. Der Laden (ich schreibe Laden, meine jedoch einen Imbiss, in dem man auch sitzen kann, man könnte auch von einem kleinen japanischen Restaurant sprechen). Es ist niemand im Raum. Ich frage die junge Bedienung mit kurzen schwarzen Haaren, ob es der einzige Sushi Laden in der Straße ist. Sie antwortet mit leichter Verzögerung: ja. Ich trinke ein Becks, dann ein japanisches Bier und esse die Nummer 4. Der Weinkenner kommt nicht. Wir planen eine gemeinsame Radtour in einer Weingegend, Main, Mosel. Nach fast zwei Stunden gehe ich vergnügt aus dem kleinen Lokal. Inzwischen habe ich ein halbes Buch von Nabokov gelesen und nach langer Zeit wieder einmal Sushi gegessen. Sie waren nicht so gut wie seinerzeit in Tokio, wo ich an einem heiß/feuchtem Nachmittag die besten Sushis ever gegessen habe, gespült mit fast alkoholfreiem Bier. Später erfahre ich, dass der Weinkenner auf gleicher Höhe in der Parallelstraße ebenso lange gewartet hat. Dort befindet sich auch ein Japanisches Restaurant.
Haben japanische Restaurants eigentlich immer einen Namen? Ich saß im Sushi.
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