vondorothea hahn 06.09.2010

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Der Sommer ist vorbei. Die Temperaturen sind unter die dreistellige (Fahrenheit) Grenze gerutscht – hinein in den Bereich von unter 30 Grad (Celsius). An der Atlantikküste und im Golf von Mexiko wirbeln noch ein paar Sommerstürme. Die Schule beginnt. Und die PolitikerInnen sind zurück in „DC“. Sie beschiessen sich mit einer Schärfe, wie ich sie in Frankreich nicht erlebt habe. Solcherart stimmen sie uns auf die „Midterm“-Wahlen am 2. November ein. Die RepublikanerInnen wollen bei der Gelegenheit die Mehrheiten in beiden Kammern zurück erobern. Die DemokratInnen hoffen auf ein kleines Wunder.

Doch heute ist erst einmal „Labor Day“ – der hiesige Tag der Arbeit. Ein gesetzlicher Feiertag. Zudem einer, der grundsätzlich auf einen Werktag fällt: immer auf den ersten Montag im September. Das ergibt ein letztes langes Wochenende, an dem alle Behörden und alle Schulen geschlossen und an dem die Strände und Wälder noch einmal voller Menschen sind. Anschliessend öffnet sich ein langer Tunnel von Arbeit.

In diesem Land, wo religiöse FanatikerInnen Politik mit der Bibel machen und am liebsten das Erziehungsministerium durch Schwarzröcke ersetzen würden, sind die Feiertage weltlich. Mit Weihnachten als einziger Ausnahme. Ansonsten feiern die US-AmerikanerInnen ihre eigene Geschichte: Die Unabhängigkeit des Landes. Die Erinnerung an ihre Kriege. Und heute die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung.

Der Tag der Arbeit hat in New York begonnen. Dort findet am 5. September 1882 eine Demonstration mit anschließendem Picknick statt. 10.000 Menschen nehmen teil. Sie verlangen den acht-Stunden-Tag. Die noch junge und radikale Gewerkschaft „Central Labor Union“ hat das ehrgeizige Ziel, die Arbeitszeitbegrenzung in den vier folgenden Jahren durchzusetzen.

1886 gipfelt die Mobilisierung in Massendemonstrationen in hunderten von Städten der USA. Als Zeitpunkt ist der 1. Mai gewählt –  der Termin zu dem viele Unternehmen in den USA ihr Geschäftsjahr eröffnen. In Chicago, wo die Bewegung mit gleichzeitigen Streiks in der Eisenbahnherstellung besonders stark ist, kommen mehrere Arbeiter bei Auseinandersetzungen mit der Polizei ums Leben. Am 4. Mai explodiert eine Bombe auf dem Haymarket und tötet einen Polizisten. Fünf Anarchisten werden deswegen zum Tode verurteilt.

Die US-Justiz wird ein paar Jahre später feststellen, dass die Bombe eine Manipulation war – mit dem Zweck, die soziale Bewegung zu zerstören. Doch an der Arbeitszeitverkürzung führt kein Weg mehr vorbei. Und der Labor Day ist ebenfalls bereits eine Institution geworden. Als internationale SozialistInnen am hundersten  Jahrestag der französischen Revolution in Paris entscheiden, ihren Tag der Arbeit auf den 1. Mai zu verlegen, halten die AmerikanerInnen an ihrem ersten Montag im September fest. Bis heute.

Auch bei den Picknick am Labor Day ist es geblieben. Doch statt Demonstrationen für soziale Rechte, gibt es heute in den USA Massenbewegungen hinein in die Kaufhäuser. Der Labor Day ist einer der Hauptgeschäftstage des Jahres. Ein Tag, an dem Restbestände des Sommers verramscht werden. „Labor Day – 70 Prozent billiger“ – so steht es in den Prospekten, die wir seit Wochen von den Kaufhausketten bekommen.

Für VerkäuferInnen in den USA ist der Labor Day kein Feiertag. Aber immer noch ein Hauptkampftag.

mrbiloa@gmail.com

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