vonClaudius Prößer 12.07.2009

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… und danke für den Fisch: Der Abgesang des „Mercurio“ auf Puerto Montt

Eigentlich ist es ein Zufall, dass wir sie nicht kennen, Bernarda García und Alvaro Quintana. Sie wohnen irgendwo bei uns um die Ecke, in un­se­rem Viertel, die Kinder gehen auf die Deutsche Schule. Gingen. Denn wie eine gerade im „Mer­cu­rio“ erschienene Reportage schildert, sit­zen die vier auf gepackten Kof­fern. Das Kapitel Puerto Montt ist für sie ab­ge­schlos­sen: „Hier geht einfach nichts mehr.“

Der Ingenieur Quintana verdiente bis vor kurzem 5 Millionen Pesos (6.500 Euro) in einer Firma, die hydraulische Anlagen für die Lachsindustrie in­stal­liert und wartet. Die beiden Kinder besuchten die teuerste Schule am Ort, die Familie mietete ein großes Haus mit Garten, ging an den Wo­chen­en­den gut essen oder ins Casino von Puerto Varas, alles lief wie ge­schmiert. Dann geriet der Lachs in die Krise. Heute kann die Familie kaum noch ihre über diverse Kreditkarten angehäuften Schulden be­die­nen, weil der Arbeitgeber seit Monaten die Gehaltszahlungen stundet.

Was bei unserer Ankunft in Puerto Montt noch wie ein dunkle Wolke über der Stadt hing, ist längst Realität geworden: Der Lachs-Boom, das große Geschäft mit dem Mastfisch, das ein gutes Jahrzehnt lang Geld und Men­schen anspülte, ist in sich zusammengebrochen. In dieser Zeit schu­fen die Pro­du­zen­ten, direkt oder indirekt, an die 15.000 neue Ar­beits­plätze – pro Jahr. Überall entstanden auf der grünen Wiese Zu­liefer- und Servicefirmen, der Einzelhandel und der Wohnungsbau explodierten. Ende 2006 herrschte praktisch Voll­be­schäf­ti­gung. Dann, im Juli 2007 tra­ten sie ersten Fälle des ISA-Virus auf.

Jetzt, im ersten Quartal 2009, ist die Arbeitslosenquote auf 10,4 ge­stie­gen. In den letzten 12 Monaten sind nach offiziellen Angaben in der Pro­vinz 17.000 Jobs weg­ge­bro­chen. Und ein Ende ist nicht absehbar. Ein Freund, der für einen nor­we­gi­schen Investor arbeitet, drückt es so aus: „Ab Oktober gibt es kei­nen Lachs mehr in Puerto Montt.“ Aufgrund der Infektionsgefahr setzten die meis­ten Firmen keine Jungtiere mehr in die Schwimmkäfige ein. Und wenn die erst­mal leer sind, dauert es anderthalb Jahre, bis ein neuer Zucht- und Mastzyklus abgeschlossen ist.

Der „Mercurio“ zitiert Carlos Odebret, den Geschäftsführer des Bran­chen­ver­bands SalmonChile: „In anderthalb Jahren haben wir die Ge­win­ne von zehn Jahren ver­lo­ren.“ Zum Lachs-Virus, der sich rasant aus­brei­te­te, kam die Welt­wirt­schafts­kri­se, die Banken geben keine bil­li­gen Kredite mehr und fordern Ga­ran­tien, die die klammen Firmen nicht aufbringen können.

Odebret will jetzt das Lachs-Geschäft umkrempeln: „Es hat uns an Pro­fes­sio­na­lität gemangelt. Wir müssen in Zukunft verantwortlicher mit dem Meer als Standort umgehen, wir brauchen Ruhephasen zwischen den Produktionszyklen und einen rechtlichen Rahmen zur Herstellung öko­lo­gisch verträglicher Bedingungen.“ Das sind keine neuen Er­kennt­nisse, aber noch vor zwei Jahren haben sie niemanden in­te­res­siert. Da floss das Geld ja noch in Strömen.

Bis die Industrie wieder Fahrt aufnimmt, ist es – wenn überhaupt – noch ein weiter Weg. Und die Talsohle ist noch lange nicht erreicht, man rech­net frühestens ab 2012 mit einem Aufschwung. „Ich fürchte, dass Puer­to Montt eine Geisterstadt wird“, sagt Alvaro Quintana im „Mercurio“, „wie die Salpeter-Städte im Norden.“ Dabei sieht man von der Krise noch nicht viel auf den Straßen. Noch haben genug Menschen genug Geld, und sei es aus der Abfindung, die sie bei ihrer Kündigung erhalten haben. Noch werden die Hochhäuser zu Ende gebaut, die vor zwei Jahren projektiert wurden. Der Motor ist ausgefallen, aber das Auto rollt noch.

Dazu kommen verstärkte öffentliche Investitionen, mit denen der Staat die Krise – landesweit – abzumildern versucht. Diese Mittel fließen in Stra­ßen­bau oder Grün­flä­chen­ar­beiten. Im Mai und im Juni haben Bri­ga­den arbeitsloser Frauen wochenlang Erde abgetragen, Löcher ge­bud­delt, Bü­sche gepflanzt und Rollrasen verlegt. Der verwandelt sich jetzt im Juliregen zu Matsch. Es sieht nicht gut aus für Puerto Montt.

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