vonClaudius Prößer 20.06.2009

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Am 12. Juni hat die Compagnie von Pina Bausch das jüngste Stück der 68-Jährigen im Opernhaus Wuppertal uraufgeführt. Wie bei Bausch üblich ist es noch namenlos, aber es verweist auf die Erfahrungen der Truppe in Chile, wo sie im vergangenen Februar auf Einladung des Goethe-Instituts beim Theaterfestivals Santiago A Mil mit „Körper“ gastierte. Wie man hört, reisten Bausch und ihre Tänzer anschließend durchs ganze Land, von der Atacama-Wüste bis Chiloé, um Impressionen für die kommende Arbeit einzufangen.

Aber wie viel Chile steckt in „Ein Stück von Pina Bausch“ (so der Ar­beits­titel)? Den ersten Rezensionen nach zu schließen, eher wenig – aber ganz genau weiß das nur das Auge des Betrachters:

Es muss sehr heiß gewesen sein in Chile, wo Pina Bauschs neues Stück entstand. Und knochentrocken war’s wohl auch – so trocken, dass der weiße (Bühnen-)Boden Risse und gefährliche Spalten bekommt. (Ruhr Nachrichten)

Eben erst hatte man noch ein Sternbild gelegt, dann bricht – per Video – Wasser über die Bühne und die Menschen herein. Eben erst wurden noch Äpfel und Bananen verteilt, dann schleppen die Männer die Frauen an Haut und Haaren herbei und treiben sie auf der Bühne zusammen. Sind das Bilder aus dem persönlichen Erlebnisbereich? Bilder von der Reise nach Chile? Oder Anspielungen auf die dunkle Geschichte des Landes? (NZZ)

Gleich die erste Szene führt zurück in die politische Vergangenheit Chi­les. Eine Frau kniet auf allen Vieren. Zwei Männer heben sie an. Sie be­ginnt zu schreien. Das wiederholt sich mehrfach. Eine andere wird über einer Stange hängend getragen. Andeutung von Folter? (…) Unmerklich erst, dann sichtbar, reißt der Boden auf. Wie auf Eisschollen wird wei­ter­ge­tanzt. Ein verstörendes Bild, mit der der Kölner Bühnenbildner Pe­ter Pabst wohl auf die bis heute zerrissene Gesellschaft Chiles ver­wei­sen will. (Kölnische Rundschau)

Das Große Chile-Erdbeben von 1960 jedenfalls zeigt Pina Bausch nicht gerade. Einmal lässt sie ein wenig mit Kartoffeln werfen, aber vorsichtig, einmal halten die Tänzer offene Weinflaschen schräg über ihre Köpfe, aber kein Tropfen wird vergossen. Die noch titellose Szenenfolge ist nicht besonders chilespezifisch. (Frankfurter Rundschau)

(…) erklingen Lieder von Violeta Parra und Victor Jara, Ikonen der Nueva Canción Chilena. Jara wurde 1973 nach dem Putsch Pinochets gegen Allende verhaftet, gefoltert und ermordet. Der Name Victor wird leise aufgerufen in der dunkelsten Szene, als der Opfer der Militärdiktatur gedacht wird. Dominique Merci und die anderen Männer des Ensembles legen sich in einer Reihe zu Boden, jeder zieht sich eine raue Decke erst über den Körper, dann über den Kopf. Sie scheint endlos zu sein, die Kette der Toten. (Der Tagesspiegel)

Nur in Spurenelementen sind diesmal die Bezüge zum Ko­pro­duk­tions­land – sonst reich sprudelnde Bilder- und Assoziations-Quel­le – nach­weis­bar: Eindeutig lediglich beim komischen Kurzbesuch einer mit Al­pa­ca-Mützchen und Poncho ausgestatteten Figur, die einige Au­gen­blicke auf einem Stuhl sitzt und mit Befremden dem pulsierenden tän­ze­ri­schen Treiben auf der Bühne zuschaut. (nachtkritik.de)

Auch das Rauchen einer Zigarette und das reichliche Wasser-Trinken sind alte Pina Bausch-Topoi. Doch bekommen sie hier und jetzt einen neuen Sinn. Der Rauch steigt auf wie aus einem chilenischen Vulkan, und das reichliche Trinken, oft aus unmöglichen Lagen und unter selt­sa­men Verrenkungen, wird in der trockensten Wüste der Welt zur Über­le­bens-Not­wendigkeit (…) ein großes Thema oder auch nur ein roter Faden fehlt; der eine oder andere Hinweis auf karge Lebensumstände, vielleicht sogar Pinochets Schreckensherrschaft, bleibt allzu blass. (Die Welt)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=hR_AoUUCG_g[/youtube]

Noch Genaueres weiß nur Pina Bausch.

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