Ziemlich gemein, die Aktion, mit der ein paar holländische NGOs letzte Woche gegen den „Runden Tisch für verantwortungsvolle Soja“ (RTRS) protestierten: Ein weinerlicher Panda, der zur Peitsche eines Monsanto-Bösewichts tanzt während die Gummibäume der Empfangshalle mit Roundup behandelt werden – und das im Hauptquartier des WWF. Der Panda, soviel steht fest, versucht sich mit Monsanto, Syngenta, Cargill, ADM, Shell und so ziemlich allem was im internationalen Soja-Business Rang und Namen hat, auf Kriterien samt Label für nachhaltige Soja-Produktion zu einigen – mit Gentechnik, versteht sich.
Die beteiligten Entwicklungs-, Bauern- und Umweltorganisationen, die bei diesem Runden Tisch die „Zivilgesellschaft“ abgeben, haben etwas weniger Rang und Namen. Mit vielen NGOs gibt es handfesten Streit. In Deutschland blieb ein offener Brief verschiedener Bauern- und Umweltorganisationen an den WWF in bisher ohne Antwort.
Der WWF International hat dagegen letzte Woche mit einem offiziellen Statement sein Engagement verteidigt: Die Soja-Expansion, auch die gentechnische, sei eine Realität, deren Folgen besser durch einen offenen Dialog mit der Industrie zu mildern seien als durch Verweigerung. Wenn freiwillige Standards nur für die gentechnikfreie Produktion gelten, wäre schließlich ein Grossteil des Anbaus nicht erfaßt. Die Organisation sei für ein Gentechnik-Moratorium. Dass der Runde Tisch sich auch nicht auf Maßnahmen und Kriterien habe einigen können, die weitere Soja-Expansion in natürliche Habitate zu vermeiden, sei bedauerlich und solle noch geändert werden. Der WWF Schweiz meint: Die Lösung: Den Boom in nachhaltige Bahnen lenken.
Dass zu den Kriterien der Nachhaltigkeit a la RTRS der Verzicht auf Gentechnik nicht gehört, war wohl von Anfang an klar: „Jede Anbauform, ob gentechnisch, konventionell oder biologisch, ist verbesserungsfähig“ heißt es auf der Webseite. Auch die Expansion der Soja in den Regenwald wird nicht gestoppt, sondern soll in geordnetere Bahnen gelenkt werden. Im Wesentlichen wollen sich die Unternehmen unter noch nicht ganz geklärten Bedingungen ab einem noch festzulegenden Datum künftig an die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen des Anbaulandes halten. Was eigentlich selbstverständlich erscheinen mag, wäre im Vergleich zum status quo ein Fortschritt. Illegale Regenwald-Vernichtung für neue Anbauflächen ist heute in Brasilien Standard. Auch der Respekt vor benachbarten Feldern, Eigentumsansprüchen der indigenen Gemeinden vor Ort, minimale Arbeitsschutzrechte und Organisationsfreiheit wären ein Fortschritt in Brasilien, Argentinien und Paraguay wenn sie tatsächlich eingehalten würden.
Die Hoffnung des WWF, wenigstens gewisse Schutzgebiete zu retten, erscheint nicht nur Umweltschutzorganisationen wie den Freunden der Erde, die heute die ganze Aktion als übles Greenwashing verurteilten oder Greenpeace trügerisch. Auch die Mehrheit der Kleinbauernorganisationen in Lateinamerika hält den Runden Tisch für eine Farce. Keine nahmhafte Entwicklungsorganisation beteiligt sich daran. Das Projekt, so die allgemeine Kritik, wolle dem fortgesetzten Raubbau am Regenwald, den beispiellosen Monokulturen mit ihren verheerenden ökologischen und sozialen Auswirkungen und dem damit verbundenen Einsatz der Gentechnik nur ein grünes Mäntelchen umhängen.
Von europäischer Seite sind es vor allem niederländische Interessensgruppen, die das Projekt vorantreiben. Der Öl und Fettverband der Niederlande, über deren Häfen und Kontore ein grosser Teil der europäischen Importe abgewickelt wird, hat sich besonders engagiert. Aus Holland sind auch die einzigen europäischen Einzelhandelsvertreter (Ahold) und eine Fair-Trade-Organisation erschienen. Das „Polder-Modell“, nach dem man sich in Holland zu allen Fragen an einen Tisch setzt bis irgendein Kompromiss gefunden ist, hat die Niederlande zwar frühzeitig zum gentechnikfreundlichsten Land der EU gemacht. Doch die Erwartung der lateinamerikanischen Partner, durch RTRS bessere europäische Akzeptanz auf dem europäischen Markt zu finden, werden die Holländer kaum erfüllen können.
Ein guter Teil der Unternehmen, die als Mitglieder des Runden Tisches geführt werden, ist zu dessen 4. Konferenz gestern und heute denn auch gar nicht erst erschienen. Wenn es auf der Mitgliederversammlung nun zum Schwur kommt, werden viele möglicherweise auch die Kriterien nicht unterschreiben, die jetzt zur Probe für ein Jahr von den Mitgliedern und ihrem industriebeherrschten Aufsichtsrat verabschiedet werden sollen.
Die eigentliche Zielgruppe der Nachhaltigkeits-Show sind weniger die Verbraucherinnen und Verbraucher, die zunehmend auch bei Fleisch, Eiern und Milch gentechnikfreie Fütterung nachfragen und gelernt haben, der Fleisch- und Futtermittelindustrie abgrundtief zu misstrauen. Wer um alles in der Welt künftig bereit sein soll, sich von einem label „good inside“, das von Monsanto, den brasilianischen und argentinischen Soja-Baronen, Ölfirmen und der europäischen Fleisch- und Futtermittel-Mafia kontrolliert wird, beeindrucken zu lassen, bleibt zunächst das Geheimnis der Initatoren und Berater (darunter auch die deutsche GTZ) dieses Runden Tisches. Dass es demnächst auf Hähnchenschenkeln oder Schweineschnitzeln im Supermarkt prangen wird, ist unwahrscheinlich.
Eine vielversprechendere Zielgruppe besteht wohl eher aus den staatlichen und politischen Agrar-Sprit-Strategen der EU und nationaler Ministerien. Unter dem Druck der Öffentlichkeit, die die Alternative „Tank statt Teller“ nicht als nachhaltig akzeptiert, suchen sie händeringend nach Zertifizierungs-Systemen. Denn nur der Öl-Import aus Entwicklungsländern macht die ehrgeizigen und zweifelhaften Beimischungs-Ziele für „Bio“-Sprit erreichbar. Hier könnte die Soja-Industrie, die bisher noch eher ein Schattendasein im Agrarsprit-Poker führt, möglicherweise punkten, zumal mit einem Panda an der Zapfsäule. Führende Agrar-Sprit-Unternehmen beiderseits des Atlantik sind jedenfalls bei RTRS erheblich besser vertreten als Supermärkte und Lebensmittelhersteller.
Wem der Tanz des Pandas mit Monsanto letztlich mehr schaden wird, dem Regenwald und den lateinamerikanischen Kleinbauern oder dem Image des WWF, bleibt abzuwarten und ist dem Vernehmen nach auch innerhalb der Organisation umstritten.
Die heutige Erklärung von Campinas des RTRS
Eine kurze aktuelle Übersicht auf Englisch findet sich bei der GMFreeze Campaign.
Eine breite internationale Allianz von NGOs hat sich bereits gegen die RTRS Initiative verwahrt.
Der Gen-ethische Informationsdienst hat im August letzten Jahres einen ausführlichen Artikel über RTRS veröffentlicht.
Weitere gemeine Videos von der letzten Soja-Konferenz finden sich hier.