vonHeiko Werning 07.04.2007

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Da die Kollegen von „Flimmern und Rauschen“ sich diesmal für den Wilsberg am heutigen Samstag zum Verriss entschieden haben, will ich Selbiges für den Tatort am Ostermontag nachholen, zumal der in mein Fachgebiet fällt. „Engel der Nacht“ heißt das Ding und ist einer der dämlichsten Beiträge der ehrwürdigen Krimireihe seit Langem (Buch: Susanne Schneider, Regie: Thomas Jahn).Engel der Nacht - Python.jpg

Kommissarin Klara Blum (Eva Mattes) und ihr hübsch-schnöseliger Assistent Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) werden in eine auf Reptilien spezialisierte Zoohandlung gerufen, weil ihr Besitzer erschossen auf dem Boden herumliegt, umkreist von allerlei Viehzeug. Der kleine Sohn des Hauses hat Blut an den Füßen, will aber nichts sagen. Erst später finden die Kommissare heraus, dass er Schlafwandler ist. Hat er die Tat beobachtet? Und was weiß er noch? Das scheint auch andere zwielichtige Gestalten zu interessieren, die hinter dem Jungen her sind. Dabei deuten sich auch Spuren in Richtung des internationalen Tierschmuggels an.

Engel der Nacht - großer Kitsch.jpg

So weit also der Inhalt. Nach „Der schwarze Skorpion“ mit Manfred Krug als Kommissar Stoever ist „Engel der Nacht“ der zweite Terraristik-Tatort, und er ist voll daneben gegangen. Denn für das Tierhandlungsthema interessiert der Film sich überhaupt nicht, für die Krimihandlung eigentlich auch nicht, letztlich ist das Ganze einfach nur ein unglaublich gefühlsduseliges Rührstück im schlimmsten Rosamunde-Pilcher-Stil über die einsame Kommissarin, die die Zuneigung eines traumatisierten, künstlich auf etwas geheimnisvoll gemachten Kindes erlangt. Dabei wird bis weit über jede Schmerzgrenze in die Kitschkiste gegriffen: Bei der ersten Umarmung der beiden beginnt die Kamera einen nicht enden wollenden Kreiseltanz zu pathetischer Schmachtmusik, und weil der Junge per Kopfnicken mit dem Wüstenleguan in der Zoohandlung kommuniziert (was die Echse naturgemäß völlig kalt lässt – wenigstens eine, die noch einen kühlen Kopf in diesem Melodram bewahrt) gibt es später auch nur noch ein einziges Nicken ohne Sinn und Verstand, mal vom Jungen, mal von Klara Blum, schließlich auch noch von Perlmann. Es ist ein Grauen. Und da alles andere nur Kulisse ist für diesen Groschenromanquatsch, gebricht es dem Film an allen Ecken und Enden an Logik, Plausibilität oder auch nur Korrektheit der Fakten, einiges ist einfach nur ärgerlich doof. Eine kurze, sicher nicht vollständige Mängelliste:

– Der Junge, der die ganze Zeit um das Wohlergehen der Tiere besorgt ist, klaut Fleisch im großen Stil. Große Ratlosigkeit bei der Polizei. Ja, warum könnte wohl ein Kind, das nur die Fütterung der Tiere im Kopf hat, Fleisch klauen? Schwierig, schwierig …

– Aus völlig unerfindlichen Gründen schleppt der Kleine ständig eine Schildkröte mit sich herum, die er vor allen geheim hält. Ergibt in der Handlung nicht den geringsten Sinn (und dürfte dem Tier in echt nicht besonders gut bekommen).

– Perlmann nimmt sich einer Ratte an, die er sicher verstaut in einem Plastikterrarium mit sich herumschleppt. Blum und Assistentin „Beckchen“ geraten beim blanken Anblick des Pelztiers in Hyperventilation und Panik. Boah. Frauen und Mäuse. Hohoho.

– Abgesehen davon, dass der Junge permanent trotz massiven Polizeischutzes abhaut: beim einen Mal weiß er offenbar genau, wo er ist, denn zielgerichtet sucht er das Versteck der geschmuggelten Tiere auf, beim nächsten Mal weiß er es schon nicht mehr, wie er seinem Bruder am Telefon sagt.

– Überhaupt, das Versteck: Was würden Sie machen, wenn Sie total wertvolle geschmuggelte Tiere verstecken wollen? Genau: Sie in eine öffentlich zugängliche Schlossruine im Wald stecken, statt etwa ganz einfach eine Lagerhalle oder so was anzumieten, logisch.

Engel der Nacht - Tierkeller.jpg

– Genau so logisch, dass die Kommissarin problemlos zu Fuß und unbemerkt dem auf seinem Fahrrad in ein abgelegenes Waldstück radelnden Jungen folgen kann …

– … wo dieser dann die Tiere mit Fleisch füttert, dass Minuten zuvor noch tiefgefroren im Eisfach lag.

Engel der Nacht - Spinne.jpg

– Und wo würden Sie Ihre Vogelspinne halten, vor allem, wenn Sie ein Zoogeschäft mit also allem Zubehör besitzen? Klar, freilaufend im Kleiderschrank. Wie man´s halt so macht als Spinnenfreund. Meine Güte.

– „Die Abkürzungen könnten für Tiernamen stehen!“, vermutet Perlmann aufgeregt, nachdem er sich in die Datenbank des Geschäftscomputers eingehackt hat, und blickt dabei auf eine Liste, wo die Klarnamen von allerlei Reptilien auf Deutsch und Wissenschaftlich fein säuberlich stehen. Preisfrage: Für welches Tier könnte wohl die Abkürzung „Bunte Dornschwanzagame“ stehen?

– Am Ende – Achtung, gesellschaftlich brisantes Thema – doziert Perlmann vor sich hin, dass die bösen, bösen Tierhalter ja viel lieber für ein „Wildfangpärchen Krokodile“ den x-fachen Preis bezahlen würden, statt ein Zuchttier zu nehmen. Nur: Warum sollte das jemand tun? Wenn Tiere geschmuggelt werden, dann im Regelfall, weil es sie legal nicht zu erstehen gibt, also eben auch keine Zuchttiere zur Verfügung stehen, oder sie werden für Dumpingpreise verhökert, weil Nachzuchten nun einmal ihren Preis haben. Dass jemand mehr Geld auf den Tisch legt, um ein Schmuggelwildfangtier zu erhalten, wenn er ebenso gut auf legale Nachzuchten zurückgreifen kann, ist einfach Stuss.

– Ein besonderes Gimmick des Films ist, dass immer mal wieder irgendein exotisches Tier völlig sinnfrei durchs Bild huscht: Mal ist es ein Albino-Tigerpython, der im Baum an der Straße züngelt, mal ein Gürteltier, das zwischen den Polizeiautos herumrennt, mal ein Kaiman, der irgendwo im Gras liegt. Wie die Tiere da hingekommen sind (bei zumal offenbar doch etwas reptilienfeindlichen Außentemperaturen) – wurscht. Und warum der Junge, der sonst offenbar topinformiert in Sachen Tierpflege ist, diese einfach, wie später aufgeklärt wird, ausgesetzt hat (und damit in der Realität dem sicheren Tod ausgeliefert hätte) – auch wurscht. Und wann er das überhaupt gemacht haben soll, obwohl er doch nach dem Tod des Vaters beständig in polizeilicher Verwahrung weilte – erst recht wurscht. Weil: eh alles wurscht. Hauptsache, die Kommissarin sagt dem Bengel „auf Leguanesisch“ via Kopfnicken, dass sie ihn ganz doll lieb hat. Brrr…

– Und bleibt noch als Manko die Krimihandlung selbst anzufügen, die sich mit allerlei Hypnose-, Schlafwandel- und nächtlichem Rekonstruktionskrams über die langen Minuten rumpelt, obwohl das alles letztlich irgendwie zur Lösung des Falls gar nichts beiträgt. Genau genommen nämlich gibt es überhaupt keine Hinweise, die zum Täter führen. Das ist der Frau Blum dann wohl einfach so eingefallen. Praktischerweise gesteht dieser dann auch gleich, sonst wäre es auch schwierig geworden – Beweise gibt´s nämlich nicht, dafür waren alle viel zu sehr damit beschäftigt, sich anzunicken.

– Bliebe noch die Grundkonstruktion anzumerken, also das, was in der Tatnacht tatsächlich passiert ist. Das ist nämlich etwa so wahrscheinlich, dass man ebenso gut auch in Erwägung hätte ziehen können, dass der Tierhändler von einem Meteoriten erschlagen worden wäre. Aber wenn kümmert das schon noch?

Was für ein sinnloser Scheiß.

P.S.: Dass Leguane (gezeigt wird übrigens ein Wüstenleguan, Dipsosaurus dorsalis, der bestimmt nicht auf die Gerüstkonstruktion klettern konnte, auf der er aber doch aufgelesen wird …) per Kopfnicken kommunizieren, stimmt aber sogar. Nur, damit da niemand auf unsinnige Gedanken kommt: da können alle Jüngelchen der Welt nicken wie sie wollen, es wird keinen Leguan kümmern. Da sind die doch recht engstirnig in der Wahl ihrer Kommunikationspartner …

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