vonHeiko Werning 16.10.2011

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Für den Tatort-Fundus habe ich die Folge des heutigen Abends rezensiert. Wer wegen dem Ding zu Hause bleibt und die Reformbühne Heim & Welt, heute mit den wunderbaren Gästen Manfred Maurenbrecher & Ilka Schneider und in voller Besetzung, verpasst, ist selbst Schuld.

Ein Serienkiller schreckt die Idylle eines Künstlerdorfes am Bodensee auf. Die Kommissare Klara Blum und Kai Perlmann lernen neue Mordmethoden kennen und müssen sich durch ein Geflecht aus Missgunst, Eifersucht, geschäftlichen Interessen und künstlerischem Anspruch schlagen.

Es geht ruppig zu am Bodensee: Ein Mann bedrängt eine Frau, er wird massiv, scheint sie vergewaltigen zu wollen, es kommt zum Handgemenge. Wenig später fällt das Licht aus, er läuft verwundert über seinen Hof, sucht die Ursache am Sicherungskasten, und da trifft ihn – im wahrsten Sinne – der Schlag. Zu Tode gebrutzelt. Und nicht durch einen Unfall, das ist schnell klar, hier hat jemand mit Bastlertalent eine heimtückische Falle gestellt. Handwerkerehrgeiz oder künstlerische Performance?
Kommissarin Klara Blum wird vom Schwarzangeln auf dem Bodensee ans Ufer zurückgepfiffen und ermittelt im Umfeld des Opfers, ein Künstler, der gut vernetzt war in der örtlichen Szene, die sich um einen Kunst- und Kulturverein mit Ausstellungs- und Café-Betrieb gruppiert, wo Komponisten, Schriftsteller, Maler und Kulturmanager ein- und ausgehen.
Und kaum haben Blum und Perlmann sich unter den Schöngeistern umgesehen, erwischt es auch schon den Nächsten von ihnen, wieder auf ebenso perfide wie umständliche Weise. Ein Serientäter scheint es auf die Kunstschaffenden im tiefen Süden abgesehen zu haben.

Wem der Plot seltsam bekannt vorkommt – nein, hier wurde nicht die Beschreibung des Stuttgart-TATORTs der Vorwoche desselben Produktionssenders mit der aktuellen Bodensee-Folge verwechselt. Offenbar reicht die Koordination der Beiträge zur TATORT-Reihe nicht mal hausintern so weit, dass man solche thematischen Doppler verhindern könnte. So geht die Jagd nach einem Serienkiller mit exquisiten Mordmethoden also zum zweiten Mal in Folge über den Bildschirm. Und wieder lauten die Fragen: Warum so kompliziert? Wieso bringt der Täter seine Opfer nicht handelsüblich um die Ecke? Sind Knarre, Keule oder Giftkelch denn völlig aus der Mode?
Leider sind die Mordmethoden aber das mit Abstand Interessanteste an diesem ansonsten in Klischees erstarrten und ebenso lustlos wie überroutiniert heruntergedrehten Stangenkrimi. Jede noch so billige Künstler-Stereotype taucht hier in hundertfach gesehener Darstellung zielsicher wieder auf, getreu dem alten Künstler-Motto: kennste einen, kennste alle. Da ist es einem schon rein emotional völlig gleichgültig, welche dieser Schießbudenfiguren als Nächstes umgenietet wird.

Und trotz der eigentlich ja per se dramatischen Handlung – der Serienkiller ist schon auf der Jagd nach dem nächsten Opfer – ist das ganze so behäbig inszeniert, dass der rasante Höhepunkt des Films erreicht ist, als Perlmann auf der Bundesstraße die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet. Während Frau Blum sich beim Angeln in eine Art Trance versetzt hat, aus der sie – womöglich, um den völlig abwegigen Plot nicht weiter zur Kenntnis nehmen zu müssen – während des Films auch nicht mehr aufwacht. Geheimnisvoll entrückt lächelt sich die ermittelnde Mona Lisa durch die immer gleichen Streitigkeiten der Künstler um Geld, Neid und Hochstapelei, während dem auch nur mäßig geübten Zuschauer der Täter viel zu früh klar ist. Oder, je nach Sichtweise, viel zu spät. Denn wenn schon ein psychopathischer Täter, dann sollte man sich doch bitte etwas Zeit nehmen, ihn in seinem Wahn auch wirklich einzuführen. Dazu kommt es dann aber nicht, weil der Film gleichzeitig klassisches Täterrätsel sein will, weshalb der Irre zuvor eben möglichst unauffällig bleiben muss und erst zum Showdown enttarnt wird. Das ist besonders lästig, weil die Handlung dermaßen unglaubwürdig bis absurd ist, dass man sie nur zu schlucken bereit wäre, wenn einem ein kinskiesker Wahnsinniger alle Gedanken an Plausibilität oder Logik vertreiben würde. Dazu bleibt aber weder Zeit noch Gelegenheit, zumal nebenbei auch noch eine völlig überflüssige Nebenhandlung über eine spezielle Form von Autismus eingeflochten werden muss, die allerdings auch nur behauptet wird und unterm Strich weder erkennbar ist noch irgendeine Rolle spielt. Vermutlich hatte dieser verdorrte Handlungszweig am toten Krimibaum die Aufgabe, etwas Tiefgang zu simulieren.
Das Tiefste an diesem Film aber ist der Bodensee, der stoisch-schön den Unfug, der an seinen Ufern getrieben wird, wegspiegelt. So würde das Ganze höchstens als Krimiklamauk-Komödie funktionieren, ist aber leider vollständig humorfrei inszeniert.
Mit einer Ausnahme, um doch noch etwas Positives zu sagen: Die Schlusspointe immerhin ist gelungen. Also: Halten Sie durch!

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