vonHeiko Werning 11.09.2011

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Ein starker Anfang: Zwei Einbrecher dringen in ein Einfamilienhaus ein, wollen dort ihre Beute zusammenscharren, durchsuchen die Zimmer, und plötzlich hört man einen entsetzten Schrei. Die beiden flüchten. Tags drauf ist die Polizei da, weil es in einer Ludwigshafener Vorstadtidylle zwar nicht weiter auffällt, wenn eine Nachbarin mal sechs Wochen nicht zu sehen ist, sehr wohl aber, wenn ihre Glastür plötzlich zersplittert ist. Und schon werden wir Zeuge des ewigen Kreislaufs des Lebens. Denn was die Hausbewohnerin, eine Lehrerin, in den gerade zu Ende gegangenen Sommerferien so gemacht hat, erfahren wir schnell: Sie diente als Nährboden für ganze Fliegengenerationen. Quietschvergnügt krabbeln die Maden über den Boden und surren die Brummer gleich schwarmweise durch die Zimmer. Da kann man schon mal entsetzt gucken, wie etwa auch ein schwarzes Mädchen, das plötzlich auftaucht, nur um sofort wieder wegzulaufen. Womit der Verdächtigenreigen eröffnet wäre. Wer hat die Lehrerin einer Brennpunktschule in ihrem eigenen Meerwasser-Zimmerspringbrunnen ertränkt? Eines der Problemkids, das unterschiedliche Meinungen über korrekte Benotung auf seine Weise austrug? War’s der Vater eines bei einer Klassenfahrt umgekommenen Jungen, der die Schuld in der Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Pädagogin sieht? War es eine Eifersuchtstat, denn wir erfahren auch von amourösen Verstrickungen? Und was hat das schwarze Mädchen damit zu tun, das sich als aus Somalia stammende Schülerin des Opfers entpuppt? Was steckt hinter dem „Tod einer Lehrerin“, so der nicht sonderlich originelle und unterm Strich eher irreführende Titel der Folge?

Wie man ein hervorragendes Thema (um Schule und Lehrerinnen geht es nämlich gar nicht) und ein gutes Schauspieler-Ensemble so richtig schön vor die Wand fahren lassen kann, dafür könnte dieser TATORT ein Lehrbuchbeispiel werden. Denn der Film vergibt seine Chancen gleich reihenweise. Es lag wirklich alles auf der Hand: gesellschaftliche Relevanz, ein vielschichtiges, unverbrauchtes, emotional aufgeladenes und dabei auch noch schön gruseliges Hauptthema (das hier leider nicht verraten werden kann, weil sonst das bisschen Spannung, welches das unmotivierte Täter-Rätsel überhaupt hergibt, auch noch versandet), gute Darsteller, und auch an der Filmkunst hat es nicht gelegen, wie die denkwürdige Eingangsszene samt Maden-Schocker beweist. Und statt daraus einen spannenden, gehaltvollen und kontroversen Film zu machen, wird alles durch den großen Sonntagabend-Konfektionswaren-Wolf gedreht, und was dabei herauskommt, ist nicht mehr als ein jämmerlicher neuer Aufguss des ewig gleichen Wer-war-der-Täter-Gerates.

Da hilft auch nicht, dass Odenthal und Kopper sich in bester Spiellaune präsentieren und ausnahmsweise sogar mal eine persönliche Verstrickung in den Fall nicht stört, sondern im Gegenteil – und das sagt schon viel aus – der interessanteste Aspekt des Films sein wird. Zumindest die beiden Hauptdarstellerfiguren gewinnen in ihrem 45. gemeinsamen Fall überraschend an Kontur, man interessiert sich tatsächlich wieder für sie. Was man von der Krimi-Geschichte selbst kaum sagen kann, die entpuppt sich aufgrund der Pitsch-Patsch-Dramaturgie auch noch als extrem unglaubwürdig konstruiert, und der Zuschauer muss schon einiges an Zufällen klaglos hinnehmen, damit eine falsche Fährte nach der anderen ganz unerwartet wieder im Nichts verlaufen kann, bis dann eben ganz zum Schluss eine völlig neue Lösung aus dem Zimmerspringbrunnen gezaubert wird. Schlimm.

Aber schlimmer noch: Durch die Degradierung des Hauptthemas zum blanken Beiwerk, das eben erst als (mäßig) überraschende Wendung ganz am Ende auftaucht, bleibt jede tiefergehende Auseinandersetzung aus, wir hören ein paar der typischen Pros und Contras des gesellschaftskritischen Diskurs-Krimis, aber woraus Köln immerhin ein 90-minütiges Seminar gemacht und somit zumindest eine gewisse Volkshochschulfunktion erfüllt hätte, das muss in Ludwigshafen einzig als sofort verpuffender Effekt herhalten, als Knallbonbon äquivalent zur Maden-Eingangsszene. Das haben weder das Thema noch Odenthal und Kopper verdient. Und der Zuschauer schon gar nicht.

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