vonBen Gerten 10.01.2010

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Frau Prokop wäre im Weihnachtsurlaub gewesen. Zu ihrer Zeit reichten die Sommerferien in NRW mindestens bis zum 10. Januar. Deshalb hätte sie den Kommentar des taz-Christen Phippp Gessler wahrscheinlich gar nicht zur Kenntnis genommen.

Gessler kritisiert in seinem Kommentar die die EKD-Vorsitzende, Bischofin Margot Käßmann, die den Afghanistan-Krieg und den Einsatz der Bundeswehr dort in ihrer Neujahrspredigt als nicht mehr zu rechtfertigen beurteilt hatte.

Gessler mokiert sich, dass die EKD-Vorsitzende erst jetzt gegen den Afghanistan-Krieg Stellung nehme, als „der Rückhalt für den Einsatz im Hindukusch in der gesamten Gesellschaft abnimmt“. Und dann verlangt er von der Bischöfin eine „Haltung zum Krieg, die sich nicht bloß in einem eher ahistorischen Radikalpazifismus erschöpft.“

Welche Haltung, hätte Frau Prokop an der Stelle gefragt? Und was ist ahistorischer Radikalpazifismus aus Sicht von Herrn Gessler? 

Vielleicht sollte sich Herr Gessler bei Gelegenheit die Mühe machen, den in der gleichen Woche erschienenen Text von Herr Todenhöfer in der FAZ zu lesen. Und uns im Anschluss darüber aufklären, was historischer Radikalpazifismus ist und wo er bitte in Afghanistan einen gerechten Krieg erkennt.

Einen ersten Ansatz für Herrn Gessler bietet sicher Wikipedia. Dort wird ausführlich aus dem Buch „Weltkirche und Weltfrieden“ von Franz Stratmann zitiert. Stratmann listete in dem fast 100 Jahre alten Buch die tradierten Kriterien des gerechten Krieges auf:

  • „schweres Unrecht auf seiten einer und nur einer der beiden streitenden Parteien; schwere formelle moralische Schuld auf einer der beiden Seiten. Bloß materielles Unrecht genügt nicht; zweifelsfreie Nachweisbarkeit dieser Schuld;
  • Unvermeidbarkeit der kriegerischen Auseinandersetzung nach Fehlschlagen aller mit ganzem Ernst und ganzer Kraft unternommenen friedlichen Verständigungsversuche;
  • Proportion zwischen Schuld und Strafmittel. Ein das Maß der Schuld überschreitendes Strafmaß ist ungerecht und unerlaubt;
  • moralische Gewissheit, dass der Sieg der gerechten Sache zuteil werden wird;
  • rechte Absicht, durch den Krieg das Gute zu fördern und das Böse zu vermeiden. Das aus dem Krieg zu erwartende Wohl des Staates muss das zu erwartende Übel übersteigen;
  • rechte Absicht der Kriegführung: Einhaltung der Schranken der Gerechtigkeit und Liebe;
  • Vermeidung schwerer Erschütterung anderer nicht unmittelbar in die Kriegshandlung verwickelter Staaten sowie der christlichen Gesamtheit;
  • Kriegserklärung durch eine gesetzlich dazu autorisierte Obrigkeit im Namen Gottes zur Vollstreckung seiner Gerechtigkeit.“

Und Stratmann kam damals zu dem Ergebnis, dass wahrscheinlich niemals ein Krieg alle diese Bedingungen erfüllt habe und angesichts der modernen Waffentechnik und Kriegführung fortan unmöglich erfüllen könne, so dass den Christen nur die Kriegsdienstverweigerung bleibe.

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