vonDominic Johnson 21.08.2010

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Die Ermordung dreier UN-Soldaten aus Indien tief im Osten der Demokratischen Republik Kongo schlägt weiterhin hohe Wellen. Der UN-Sicherheitsrat, die Regierungen unter anderem Indiens, Frankreichs und zuletzt der USA haben die Tat verurteilt und ihre Unterstützung für die UN-Blauhelmmission im Kongo geäußert, die seit zwei Monaten „Monusco“ (UN-Stabilisierungsmission im Kongo) heißt statt wie bisher Monuc. Angesichts einer zunehmend explosiven und undurchsichtigen militärischen Lage in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen dürfte daher bald wieder die Frage auf die internationale Tagesordnung kommen, ob die UN-Truppen ihrer Aufgabe gewachsen sind.

Der jüngste Überfall hatte eine neue, terroristische Qualität. Gegen 2 Uhr morgens in der Nacht zum 18. August präsentierten sich ein paar hilfesuchende Zivilisten vor der indischen UN-Basis in Kirumba, ein Ort auf halbem Weg zwischen Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma und der Handelsmetropole Butembo in jenem aus dichtbesiedelten Bergwäldern bestehenden Gebiet, das in den Kriegen der vergangenen 14 Jahren immer am heftigsten zwischen den bewaffneten Vertretungen der Banyarwanda- und Nande-Völker umkämpft war, in dem es am meisten Kriegsvertreibungen gegeben hat und wo irreguläre Milizen bis heute am stärksten verwurzelt sind. Als die indischen Wachleute der Basis zu den Zivilisten gingen, kamen aus dem Busch ringsum rund 50 Männer, mit Speeren und Macheten. Drei indische Soldaten wurden regelrecht zu Tode gehackt.

Normalerweise, wenn UN-Soldaten im Kongo gewaltsam zu Tode kommen, passiert dies in Hinterhalten, Schusswechseln, seltener als Ergebnis von Minen. Gezielte Angriffe auf UN-Basen, bei denen die kongolesischen Angreifer ihre Opfer suchen und nicht umgekehrt die UN-Truppen in Milizengebiete ausschwärmen und sich in Kampfhandlungen verwickeln, sind so gut wie unbekannt.

Der kongolesische Staat bewies in diesem Falle – wie schon einmal bei der Ermordung des Menschenrechtsaktivisten Floribert Chebeya in Kinshasa im Juni – dass er durchaus zu effektivem Durchgreifen in der Lage ist, wenn er nur will. Ganze zwei Tage nach dem nächtlichen Überfall von Kirumba, am 20. August, präsentierte die Armee zwei Festgenommene, die den Angriff gestanden haben sollen. Es seien Angehörige der Miliz „Pareco“ (Kongolesische Widerstandspatrioten) gewesen. Der eine der Festgenommenen, ein Betrunkener namens Mumbere Tembea, habe ausgesagt, sie seien entsandt worden, um die UN-Soldaten „aufzuspüren und zu töten“.

Die Pareco ist eine bewaffnete Gruppe kongolesischer Hutu, die vor einigen Jahren zum Kampf gegen die einstige Tutsi-Rebellenarmee CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) entstand. Als die CNDP im Januar 2009 die Waffen niederlegte, tat dies offiziell auch die Pareco. Aber während die CNDP-Soldaten sich dem Befehl zum Einzug in die Regierungsarmee beugten, taten die meisten Pareco-Milizionäre dies nicht. Sie arbeiten nun mit der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zusammen, der im Ostkongo aktive bewaffnete Arm der ehemaligen ruandischen Völkermordverantwortlichen, die nach einer zeitweiligen Schwächung im Rahmen kongolesisch-ruandischer Militäroperationen und massiver freiwilliger Repatriierungen nach Ruanda im Jahr 2009 inzwischen wieder an Stärke zu gewinnen scheint. Der unüblich gut geplante und ausgeführte Überfall von Kirumba trägt eher die Handschrift einer professionellen Armee, wie es die FDLR ist, als die einer lokalen Miliz wie die Pareco.

Fast täglich werden inzwischen neue Angriffe und Überfälle der FDLR in beiden Kivu-Provinzen gemeldet. Die Miliz soll einige ihrer alten Hochburgen in Nord-Kivu zurückerobert haben und griff erst Anfang dieser Woche zum wiederholten Male das Mineralienhandelszentrum Mubi an, wo das Zinnerz der Region Walikale umgeschlagen wird. Hier kämpft die FDLR zusammen mit einer lokalen kongolesischen Mai-Mai-Miliz namens Mai-Mai-Tcheka. Ihr Führer Tcheka arbeitete früher für eine der lokalen Bergbaugesellschaften der Region um die Zinnerzminen von Bisie, die die Kontrolle über die Minen nach dem Abzug der jahrelang dort stationierten Regierungstruppen 2009 zugunsten ehemaliger CNDP-Einheiten verlor, und soll danach zum Schutz vor Gläubigern das Bündnis mit den FDLR gesucht haben. Vor vier Wochen brachten Mai-Mai-Tcheka-Kämpfer mit FDLR-Unterstützung auf der Flugpiste von Walikale einen Kleinflieger, wie er zum Transport von Mineralien genutzt wird, in ihre Gewalt; der indische Kopilot und neun Kongolesen verbrachten eine Woche in Geiselhaft, bis sie nach Verhandlungen mit Kongos Regierung freigelassen wurden. Der Vorfall hatte zur zeitweiligen Suspendierung der kommerziellen Flüge zwischen Walikale und Goma geführt, was den Mineralienexport Nord-Kivus lahmlegt und auch die Versorgung des Distrikts Walikale mit Konsumgütern.

In Süd-Kivu, so vermeldet der UN-Rundfunk, haben sich in den letzten Tagen 3850 Familien – fast 20.000 Menschen – in die Goldbergbaustadt Shabunda geflüchtet, um FDLR-Angriffen auf ihre Dörfer im Umland der Stadt in den letzten zwei Wochen zu entkommen. Da zugleich weiter nördlich, im Norden von Nord-Kivu, Kongos Armee gegen die ugandische Rebellenbewegung ADF (Alliierte Demokratische Kräfte) und noch weiter nördlich in Ituri gegen die Rebellen der FPJC (Volksfront für Gerechtigkeit im Kongo) kämpft – ein Feldzug, bei dem die Armeeführung erst am Freitag die Tötung von 98 Rebellen vermeldete -, kann die FDLR offenbar im Windschatten dieser neuen Kriegsfronten prosperieren, allen Repatriierungsversuchen der Monusco und allen Versuchen der strafrechtlichen Verfolgung ihrer Führung beispielsweise in Deutschland zum Trotz.

Auf das indische UN-Kontingent, das stärkste in Kivu, scheinen es die Milizen besonders abgesehen zu haben. Erst Ende Mai hatten FDLR-Kämpfer einen indischen UN-Soldaten im Virunga-Nationalpark erschossen. Für den neuen Chef der UNO im Kongo, den US-Amerikaner Roger Meece, ist der Überfall von Kirumba eine Art Feuertaufe, wie nicht zuletzt die kongolesische Presse es kommentiert hat. Wenn Kongos Öffentlichkeit jetzt die Effektivität der Blauhelme daran mißt, wie sie diesen Überfall rächen, dürfte sie enttäuscht werden. Und Kongos Regierung wird ein weiteres Argument dafür serviert bekommen, warum die UN-Präsenz im Land lieber früher als später zu Ende gehen sollte. Die Blauhelme können sich ja nicht einmal selbst schützen, wird es heißen; an Schutz für die Kongolesen in den Kriegsgebieten ist ja sowieso nicht zu denken.

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