vonChristian Ihle 23.07.2009

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My name is Tracey Berkowitz, 15. Just a normal girl who hates herself.

Wir lernen Tracey kennen, als sie nur mit einem Vorhang bekleidet in einem öffentlichen Bus sitzt. Ihren Weg an diese Stelle beschreibt der Film. Aufgewachsen in einer dysfunktionalen Familie (emotionsloser Vater, psychotische Mutter, zurückgebliebener kleiner Bruder), an der Schule gehänselt, dem Schönheitsdruck der US-High-School nicht gewachsen, flüchtet Tracey zunächst in ihren Kopf und dann auch von daheim.
Während sie mit ihrem kleinen Bruder an einem Fluss spielt, trifft sie den neuen, coolen Jungen aus ihrer Klasse und gibt sich einmal der Hoffnung auf Anerkennung, Zuneigung und Liebe hin, die nicht nur brutal zerstört wird, sondern letzten Endes dann auch für die Katastrophe im Zentrum des Films verantwortlich ist. „Tracey Fragments“ bleibt dabei aber immer im Ungefähren, erzählt strikt aus der Perspektive der jungen Tracey Berkowitz und versucht nicht einmal, Auflösungen oder Erklärungen für den Zustand der Tracey Berkowitz zu geben, die über das Offensichtliche wie Mobbing und familiäres Chaos hinausgeht. Im Grunde weiß der Zuschauer nicht einmal, ob und was hier tatsächlich geschieht und was doch nur eine Projektion Traceys ist: „how do you know what’s real and what’s not when the whole world is inside your head“.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=v0jEN2_REy4[/youtube]

Dabei wird „Tracey Fragments“ gänzlich von Ellen Page beherrscht. Keine Szene, die außerhalb ihres Kopfes spielt (wobei das nicht immer leicht zu unterscheiden ist), findet ohne Page statt, Tracey Berkowitz ist nicht die Hauptperson des Films, Tracey Berkowitz und damit Ellen Page ist der Film.
Wahrscheinlich hat man es dem so überraschenden wie berechtigten Riesenerfolg von Ellen Pages „Juno“ zu verdanken, dass der vor der Indiekomödie abgedrehte „Tracey Fragments“ nun doch noch den Weg in hiesige DVD-Regale gefunden hat – für all jene, die Ellen Page erst durch „Juno“ entdeckt haben, bleibt so die Gelegenheit, ihre filmische Vergangenheit aufzuarbeiten, in der Ellen Page mit „Hard Candy“, „An American Crime“ oder eben dem jetzt vorliegenden „Tracey Fragments“ eine umwerfende Tour de Force nach der nächsten abgeliefert hatte.

Doch man würde Regisseur Bruce McDonald, der vor einigen Jahren mit einer erfundenen Dokumentation über eine Punkband für Aufsehen gesorgt hatte, Unrecht tun, verteilte man allen Lorbeer an die junge Hauptdarstellerin. Erst seine radikale Entscheidung, Tracey Berkowitz’ mentalen Zustand, ihre Verwirrung, Verzweiflung und vergebliches Streben nach Anerkennung und Zuneigung in experimentelle filmische Bilder umzusetzen, hebt „Tracey Fragments“ von allen vergleichbaren verwirrter-Teenager–Filmen ab. Die fast durchgehend verwendeten, nach Mondrian-Gemälden modellierten Splitscreen-Bilder sind dabei kein technischer Gimmick, sondern immer im Dienst der Geschichte einer Reise in das Innere von Tracey Berkowitz.

Nur so kann McDonald das Nebeneinander der erleideten Realität und Traceys Eskapismus in eine Traumwelt darstellen: wenn der erste Sex auf dem Beifahrersitz eines Autos das Gegenteil aller idealisierten romantischen Ideen ist, McDonald aber gleichzeitig Traceys Wunschidee von ihrer Entjungferung zeigt, in der sie nicht nur Objekt, sondern eben gerade die handelnde, dem Jungen gleichberechtigte (wenn nicht gar dominierende) Person ist.
Erst in den letzten Szenen lässt Bruce McDonald Ruhe einkehren. In einer langen ruhigen Einstellung verlassen wir Tracey als sie nur mit einem Vorhang bekleidet durch einen öffentlichen Park läuft.

My name is Tracey Berkowitz. Tracey Zerowitz. 40 below Zerowitz.

(Christian Ihle)

Eine etwas kürzere Version des gleichen Artikels ist im Übrigen im geschätzten neuen OPAK Magazin erschienen, das im gutsortierten Zeitschriftenhandel seit Ende Juni erhältlich ist:

opak

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https://blogs.taz.de/the_tracey_fragments_regie_bruce_mcdonald/

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