vonEva C. Schweitzer 23.06.2009

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Gestern war ich im Times Center: Bill Keller, der Chefredakteur der New York Times sprach vor ein paar hundert Interessierten, dabei wurde er von einem Redakteur interviewt, der ungefähr halb so alt war wie er. Komisch war nur, der Redakteur wollte dauernd über die gute alte Zeit reden, als Keller noch Sacharow in Moskau interviewte (in gebrochenen Russisch, wie er sagte – sollte ein Times-Auslandskorrespondent nicht die Landessprache können?), während Keller sich lieber über die Twitter-Revolution im Iran begeistern wollte, wo er gerade herkam.

Aber nun wieder zu der Serie: Kommunikation zwischen Redakteuren und Freien. Eine Quelle des Missverständnisses ist, dass Redakteure in einer anderen Zeitzone leben, und damit meine ich nicht Berlin oder New York. Nein, die Zeit verläuft bei uns anders, ähnlich, wie die Zeit auf der Enterprise anders verlaufen sollte, wenn sie mit Warp-Geschwindigkeit fliegt, was sie nicht tut, weil das den Drehbuchschreiben zu kompliziert ist; gleichviel: Wenn der Redakteur sagt, der Artikel müsse um vier fertig sein, dann rechnet der Freie, eine Viertelstunde ist Sicherheitsabstand, die kann man abziehen, noch ein Viertelstunde braucht der Redakteur fürs Redigieren, das geht auch ohne,  und die dritte Viertelstunde ist Zugabe. Voila, der Artikel kommt um viertel vor fünf.

So gegen halb fünf setzt noch eine zweite Zeitverzögerung ein, die beginnt, wenn der Redakteur so zwischen vier und halb fünf das erste Mal anruft und fragt: Wo bleibt der Artikel. Die Anwort ist: Kommt in fünf Minuten, das bedeutet, eine Viertelstunde (schickt der Redakteur eine email, kommen noch einmal zehn Minuten drauf). Ruft er in zehn Minuten noch einmal an, ist die Anwort: In 30 Sekunden. Das heißt, fünf Minuten. Druckt euch das aus, rechnet den Rest selber aus und hängt es ans schwarze Brett. Und nun will ich keine Klagen mehr hören.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009,Taschenbuch, 9,95 €

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