vonClaudia Mussotter 01.12.2008

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Was wäre, wenn Kolumbus nicht nach Amerika gesegelt wäre? – Wir müssten auf eine Reihe geliebter Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse verzichten wie Tabak, Tomaten, Paprika oder Auberginen – und auch auf Kartoffeln, heute neben Weizen, Reis und Mais unverzichtbares Grundnahrungsmittel der Menschheit und aus deren Ernährung nicht mehr wegzudenken. 
So setzen die Vereinten Nationen im Kampf gegen Hunger und Armut auch auf die Kartoffel: Bereits im Dezember 2005 hatte die UN-Generalversammlung 2008 zum Internationalen Jahr der Kartoffel ausgerufen.

Getrost kann man Kartoffeln heute als eines der populärsten – und vielseitigsten – Lebensmittel betrachten. Sie werden gekocht, gedämpft, gebraten, frittiert und gebacken, zu Suppe, Salat und Püree verarbeitet… Doch sie finden noch weitere, industrielle Verwendung: Kartoffelstärke bindet Suppen, Saucen oder Pudding, Kleidung bekommt durch Stärke erst die richtige Form, und auch die Papier-, Chemie- und Alkoholindustrie, unter anderen, profitieren von der tollen Knolle.
Bis die taratoufli, wie sie von spanischen Konquistadoren genannt wurden, die sie irrtümlich für Trüffel hielten, allerdings von ihrer Heimat in der Andenregion auf europäische Speisezettel gelangten, sollte es Jahrhunderte dauern.

Anscheinend kamen die papas – in ganz Lateinamerika, auf den Kanaren und in Andalusien heute noch so genannt – 1570 mit einer Ladung Silber in Sevilla an, wo Mönche sie kultivierten, um die Kranken und Armen zu ernähren. Man sagt, Karmeliter hätten sie in Italien eingeführt, von dort aus sei die Pflanze in ganz Mitteleuropa verbreitet worden. Es wird aber auch erzählt, dass ein Freibeuter namens Sir Francis Drake, von Virginia kommend, einige spanische Lagerhallen in Cartagena de Indias an der kolumbianischen Karibikküste überfiel, von wo aus er die Knollen mitnahm und nach Europa brachte. Wahrscheinlicher ist aber, dass ein Zeitgenosse Drakes, Sir Walter Raleigh (1552 – 1618), die Kartoffel in Irland einführte.
Mal wurde das Knollengewächs lediglich als Zierpflanze an Monarchen verschenkt, mal gar zum Heilmittel erhoben. Doch der wahre Grund, warum die spanischen Konquistadoren die Kartoffel zuerst als Nahrungsmittel ablehnten, war folgender: Sie wurde nicht in der Bibel erwähnt und war somit kein Geschenk Gottes. So kam es, dass die Kartoffel sich erst ab 1620 richtig entwickelte – in den Niederlanden.

In Deutschland wurden die ersten Kartoffeln zwar nachweislich im Jahr 1621 gepflanzt, doch auch dort beachtete niemand die angeblich giftigen Knollen. Nur wegen der hübschen Blüte und des üppigen Laubs war sie eine begehrte Zier- und Gartenpflanze und anfangs sogar viel bestaunte Seltenheit in botanischen und Lustgärten. Als endlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Wert der Kartoffel als Nahrungsmittel erkannt wurde, half kein Geringerer als der „Alte Fritz“ dem Knollengewächs auf die Sprünge. Um die störrischen preußischen Bauern zu überlisten, ließ er rund um Berlin Kartoffelfelder anlegen und zum Schein scharf bewachen. Was so bewacht wird, muss etwas wert sein, dachten die Untertanen und gruben heimlich die Knollen aus, um sie auf den eigenen Feldern anzupflanzen. Damit hatte sich die Kartoffel bei den Deutschen durchgesetzt.
Auch vom französischen Armee-Apotheker und Botaniker Antoine Augustin Parmentier muss berichtet werden, ist er doch mit seinen gewürfelten, gebratenen „Parmentierkartoffeln“ in die Geschichte eingegangen. Verdient hat er sich dies, indem er den pommes de terre, den Erdapfel, wie er heute noch in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz bezeichnet wird, am französischen Königshof salonfähig machte.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Kartoffeln in Europa endgültig zum unentbehrlichen Volksnahrungsmittel. Vor allem in Irland. Dort kam es nach dem Verlust der Ernten 1845 und 1846 zu einer schrecklichen Hungersnot, die Tausende von Toten und die Emigration eines großen Teils der Bevölkerung zur Folge hatte.
In Spanien begann man Kartoffeln zuerst in Galicien in größerem Stil anzubauen. Das war um 1768 und im Prinzip eine Notlösung, nachdem eine Plage die Kastanien in der Region dezimiert hatte. Noch heute ist Galicien eine ausgesprochene Kartoffelregion. Berühmt sind die so genannten cachelos; zusammen mit gebratenen Sardinen ergibt sich eins der populärsten Gerichte des Landes.
Doch auch die Bewohner der Kanarischen Inseln sind Spezialisten in Sachen Kartoffeln und machen mit ihren kleinen, runzligen papas arrugadas den Gallegos kräftig Konkurrenz.

150 Kartoffelsorten baut man in Spanien an, leider trifft man an der Küste allzu oft nicht mehr als zwei, drei auf dem Markt an: rote festkochende und gelbe Allroundkartoffeln sowie die patata sucia, die dreckige Kartoffel mit Erde dran, die nicht schlecht ist. Mit Glück findet man patatas para cocer oder hervir (zum Kochen) oder para freir (braten, frittieren). Eine häufig angebotene Kartoffel ist die Monalisa, andere nennen sich Elodie, Spunta, Red Scarlet etc. Auch die galicische Kennebec ist in hiesigen Hypermärkten vertreten.

Der spanische Pro-Kopf-Verbrauch liegt derzeit über dem des Kartoffellands Deutschland – das mittlerweile lieber auf verarbeitete Produkte wie Chips oder Fritten zurückgreift –, wobei ein Großteil der patatas sicherlich für die auf der Rangliste der beliebtesten spanischen Gerichte weit oben stehende Tortilla española geschält wird.

Tortilla española
Für 4 Pers.: 2 1/4 Tassen natives Olivenöl extra, 500 g Kartoffeln (geschält, geviertelt und in feine Scheiben geschnitten, soll etwa 4 Tassen ergeben), 2 kleine Kaffeelöffel Salz, 1 Zwiebel (geschält und in Scheiben geschnitten, ca. eine Tasse), 6 große Eier
Zwei Tassen von dem Öl in einer beschichteten Pfanne auf mittlerem Feuer erhitzen. Es ist fertig zum Braten, wenn ein Stück Kartoffel darin ein wenig „hüpft“. Kartoffeln zehn Minuten von beiden Seiten braten, bis sie Farbe nehmen und die Ränder leicht knusprig sind.
Pfanne vom Herd ziehen, Kartoffeln abtropfen lassen, das Öl aufbewahren. Kartoffeln mit einem halben Kaffeelöffelchen Salz würzen.
In einer anderen beschichteteten Pfanne auf kleinem bis mittlerem Feuer das von den Kartoffeln aufbewahrte Öl erhitzen (alles bis auf 3 EL). Zwiebelscheiben in ca. acht Minuten leicht Farbe nehmen lassen, ohne dass sie anbrennen. Abtropfen lassen und zur Seite tun.
Die Eier in einer Schüssel drei- oder viermal schlagen. Kartoffeln und Zwiebeln zugeben sowie das verbliebene Salz. Alles gut vermischen. In einer beschichteten Pfanne mit 15 Zentimeter Durchmesser die restlichen drei Esslöffel Öl auf mittlerem Feuer erhitzen. Wenn das Öl heiß ist, die Kartoffel-Zwiebel-Eier-Mischung hineingeben, dabei das Ei energisch zehn bis 15 Sekunden rühren, damit alles gut vermischt ist. Tortilla etwa 30 Sekunden stocken lassen, ohne sie zu bewegen. Hitze herunterschalten und die Mischung noch ein paar Minuten weiter stocken lassen, dabei nun energisch die Pfanne rütteln, damit die Tortilla nicht festklebt.
Wenn die Ränder fest sind, die Masse in der Mitte aber noch weich ist, einen passenden Teller auf die Pfanne legen, in einer Hand den Stiel, die andere auf den Teller gelegt, das Ganze mit einem Mal herumdrehen und die Tortilla mit der rohen Seite wieder in die Pfanne gleiten lassen. Wenn die Pfanne trocken erscheint, zuvor ein bisschen Öl zufügen.
Eine weitere Minute garen und unverzüglich servieren. Die Kartoffeltortilla soll innen noch etwas flüssig und weich sein, von außen aber Farbe haben und fest sein.

Bon profit!

Jede Menge Rezepte und Infos auf swisspatat: www.kartoffel.ch
Sehenswert!

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