Hier geht es weder um die flache mexikanische Maistortilla noch um die Tortilla francesa, wie in Spanien ein Omelett genannt wird, sondern um die Tortilla española – das Nationalgericht par excellence, freilich neben Paella und Gazpacho. Die Tortilla española ist ein Omelett aus Kartoffeln, Ei, Olivenöl, Salz und, je nach Landstrich und Geschmack, Zwiebeln, an denen sich übrigens im ganzen Land die Geister scheiden.
Natürlich konnte diese Zierde jedes Tapa-Tresens erst erfunden werden, nachdem die Kartoffel – von spanischen Eroberern aus der Neuen Welt mitgebracht – hier kultiviert und angenommen wurde. Der Ort und das Datum der erstmaligen Zubereitung einer solchen Kartoffeltortilla ist nicht bekannt, man vermutet, dass sie zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert eher zufällig entstand. Sie könnte einem andalusischen Campesino gelungen sein, oder sie wurde einem hungrigen Soldaten in einer Venta aufgetischt, oder man hat sie das erste Mal in einem Konvent gegessen…
Eine so einfache, anspruchslose Sache, die man zudem kalt oder warm genießen kann und die mit einfach allem harmoniert – auch mit übrig gebliebenen Resten –, war geradezu prädestiniert, sich zu einem populären Nationalgericht zu entwickeln.
Und wie das so ist bei den traditionellen Volksgerichten, gibt es so viele Varianten der runden gelben Tortilla, wie Köche sich daran versuchen. Typisch ist die Zugabe von chorizo (Paprikawurst), Schinkenwürfeln, in Streifen geschnittener Paprikaschote, kleinen grünen padrones (Paprikaart) und natürlich Stockfisch, bacalao. Aber auch mit Tunfisch, Spinat, Paprika, Garnelen, grünem Spargel, Champignons und vielem mehr ist die spanische Kartoffeltortilla einfach köstlich.
Die Tortilla de patatas, oft als pintxos – aufgespießte mundgerechte Stückchen oder auf eine Scheibe Baguette gesteckt – serviert, findet an den barras, den Bartresen, den ganzen Tag über Freunde. Keineswegs darf man sie aber nur als Alltagsgericht ansehen, denn eine gute Tortilla bereichert auch jeden noch so festlich gedeckten Tisch.
Wie grundsätzlich bei allem in der Küche hängt das Endprodukt von der Qualität der Zutaten ab. Das beginnt mit der richtigen Kartoffel, geht über gutes Olivenöl bis hin zum besten Ei, das man auf dem Markt finden kann. Selbstverständlich darf bei der Zubereitung auch das nötige Fingerspitzengefühl nicht fehlen.
Ob die Kartoffeln nun in Würfel oder Scheiben geschnitten werden, die Hauptsache ist, dass sie nicht gekocht, sondern gebraten werden. Und für ein Picknick oder den Nachmittag am Strand bereitet man am besten eine Tortilla, die „durch“, also von der Konsistenz her fester ist; sie lässt sich nicht nur leichter transportieren, sondern schmeckt, kalt genossen, auch besser.
Zu Hause dagegen, wo man sie warm auf den Tisch bringt, kann das Ei ruhig noch ein bisschen flüssig sein. Keinesfalls aber darf das Kartoffelomelett vor Fett triefen. Das passiert dann, wenn man die gebratenen Kartoffeln nicht gut genug abtropfen lässt.
Doch nichts ist schlimmer als eine Tortilla, die schon ihre beste Zeit hinter sich hat. Es empfiehlt sich daher bei einer Bar, die man nicht kennt, darauf zu achten, mit welcher Frequenz sie bestellt wird.
Die Tortilla española ist im Grunde leicht zuzubereiten. Je öfter man sich an ihr probiert, desto besser geht sie von der Hand. Wann haben die Kartoffel die richtige Konsistenz, wie viel Salz ist nötig, einmal oder zweimal umdrehen? Diese Fragen beantworten sich mit der Zeit von allein.
Nur eines sollte man auf gar keinen Fall machen: die Tortilla wie einen Pfannkuchen durch die Luft wirbelnd zu drehen. Das wird garantiert schiefgehen.
Die beste Tortilla Spaniens
Das Gastronomieportal „Lo Mejor de la Gastronomía“ des bekannten spanischen Gastrokritikers Rafael García Santos schreibt seit 1999 jedes Jahr Ende November im Kursaal von San Sebastián einen Wettbewerb für die Zubereitung der besten Kartoffeltortilla im Land aus.
Teilnehmen können Köchinnen und Köche, die täglich in ihren Bars oder Restaurants Tortilla española anbieten. Beim „Campeonato de España de Tortilla de Patatas“ bewerten renommierte Küchenchefs die zehn Finalisten, Spezialisten in Sachen Tortilla, denn jeder hat sein Geheimnis…
Schon zum dritten Mal gewann Ciri González vom Restaurant La Encina in Palencia (Castilla y León) mit ihrer mittlerweile zu Ruhm gelangten Kreation. Ciri verwendet die Kartoffelsorte Kennebec, die in der Gegend um Palencia angebaut wird. Sie schält die Kartoffeln erst kurz vor der Zubereitung, und anstatt sie zu waschen, werden sie nur mit einem Tuch gut gesäubert. Die Kartoffeln schneidet sie in höchstens einen Zentimeter kleine Würfel und salzt sie vor dem Braten.
Das Olivenöl ist ein aceite de oliva virgen, sie verwendet ausschließlich Öl aus der Provinz Jaén, bevorzugt die Sorte Picual mit ihrem charakteristischen bitteren Geschmack. Ohne gutes Olivenöl in ausreichender Menge, behauptet Ciri, sei kein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Sie stellt also die Pfanne auf lebhaftes Feuer und füllt diese mit reichlich Öl. Wenn es heiß ist, gibt sie die Kartoffelwürfel zu, die praktisch von Fett bedeckt sein sollten. Nach und nach wird die Hitze reduziert. Das Ganze dauert etwa 20 Minuten, nach der Hälfte der Garzeit, wenn sie von einer Seite gut sind, werden die Kartoffeln gewendet.
Der Trick dabei ist, sie mehr zu frittieren als zu kochen. Sind die Kartoffeln fertig, in einen Durchschlag geben, das Öl gut abtropfen lassen.
Jetzt kräftig die Eier schlagen, sie sollten übrigens Zimmertemperatur haben. Ciri rechnet acht Eier auf etwa 500 Gramm Kartoffeln. Beides wird miteinander vermischt und darf dann drei Minuten durchziehen.
Nun eine Pfanne kräftig erhitzen. Leicht mit Öl austreichen. Kartoffel-Ei-Mischung hineingeben. Gerade wenn sie beginnt zu bräunen, einen großen Teller auf die Pfanne legen, das Ganze mit Schwung wenden. Pfanne zurück auf den Herd stellen, wenn sie gut heiß ist, ein paar Tropfen Öl hinein und die Tortilla in die Pfanne gleiten lassen, sodass sie von der anderen Seite gebräunt wird. Das dauert nur wenige Augenblicke, denn sie soll innen noch flüssig sein, das heißt, das Ei darf nicht stocken. Die Tortilla ist nun mehr als einen Finger und weniger als zwei Finger dick – also keine hohe Tortilla española, wie man sie oft sieht, aber anscheinend die beste des Landes.
http://www.lomejordelagastronomia.com/tortilla.asp
Bon profit!