Ein gentechnisch veränderter Mais, der Vitamin C, Provitamin-A und Folsäure in erheblichen Mengen enthält wurde heute der Öffentlichkeit präsentiert. Im kommenden Jahr soll er in den USA erstmals getestet werden. Die Forscher versprechen wesentliche Beiträge zur Behebung des Vitaminmangels in Entwicklungsländern.
„Dieser Erfolg, der bei Weitem alles übetrifft, was bisher durch herkömmliche Züchtung erreicht wurde, macht den Weg frei zur Entwicklung von Getreiden mit vollständigem Nährwert (nutrionally complete cereals) für die Ärmsten dieser Welt,“ heißt es im Abstract der Proceedings of the National Academy of Science mit für wissenschaftliche Veröffentlichungen ungewöhnlicher Vollmundigkeit. 50 Prozent der Weltbevölkerung litten unter Vitaminmangel, insbesondere die Ärmsten dieser Welt, die auf monotone Getreidekost angewiesen seien. Durch simultane Veränderung dreier Metabolismen sei es nun gelungen, transgene Maiskörner mit „dem 169 fachen Gehalt von β-Karotin (Provitamin A), den 6 fachen von Ascorbin (Vitamin C) und den zweifachen von Folat (Vitamin B9) zu schaffen“.
Der führende Forscher, Prof. Paul Christou, ist ein alter Fahrensmann der Gentechnik. In den Achziger Jahren entwickelte er beim Gentechnik-Unternehmen Agracetus die „Gen-Kanone“, mit der Fremdgene in Zellen geschossen werden können und bombardierte damit zunächst Sojabohnen und dann Reis für verschiedenste Zwecke, aus denen allerdings bisher keine Produkte wurden. Später konzentrierte er sich auf die Herstellung von Pharmazeutika durch gentechnisch veränderte Pflanzen; zuletzt entwickelte Mais, der HIV hemmende Biozide produzieren soll.
Jetzt hat Christou sein Meisterstück abgeliefert: Gleich drei verschiedenen Vitamine soll der „goldene Mais“, der wegen seines Beta-Carotin-Gehalts rötlich schimmert, produzieren. Die dafür erforderlichen Gen-Kasetten wurden aus der DNA von Weizen, Gerste, Erbsen sowie E-coli und Pantoea ananatis Bakterien zusammengezimmert.
Derartige „Bio-Fortifikation“ ist seit Jahren umstritten und hat sich in der Praxis bisher noch nicht bewährt. Sie behebt nicht das zugrunde liegende Problem der Mangelernährung und lindert in der Regel nur einzelne Symptome, was auch durch herkömmliche Zusätze erreichbar wäre. Ein klassisches Problem, das auch bei dem Vitamin-Mais auftreten wird, ist beispielsweise, dass der menschliche Körper Pro-Vitamin A nur in aktives Vitamin A umwandeln kann, wenn ihm auch genügend Öl oder anderes Fett zugeführt wird.
Auf der anderen Seite, so argumentieren ihre Verfechter, könnte der Vitamin-Mais billiger und breiter verfügbar sein und bei regelmäßiger Einnahme fatale Mangelerscheinungen in der Tat lindern. Seit über zehn Jahren wird deshalb bereits über den „Goldenen Reis“ und seine Wohltaten für die Menschheit geschrieben. Auf den Markt kam der allerdings bis heute nicht. Rechtliche und technische Schwierigkeiten aller Art haben dies verhindert.
Sein Erfinder, Ingo Potrykus, der darüber etwas verbittert ist, verfolgt mittlerweile als Schuldige die Gentechnik-Kritiker, denen er schon mal Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft, und ist mittlerweile ein Gentechnik-Aktivist der harten Schule, derzeit etwa als Organisator der berüchtigten Studienwochen der päpstlichen Akademie der Wissenschaften.
Auch Christou betätigt sich gelegentlich als „Kampfwissenschaftler“, etwa als er eine regelrechte Hetzjagd auf den Berkely Professor Igancio Chapela lostrat, der gentechnische Verunreinigungen von lokalem Mais in Mexiko nachgewiesen hatte. Dessen Artikel in „Nature“ entbehre jeder Grundlage, schimpfte er 2002 in seinem eigenen Journal „Transgenic Research“. Mittlerweile haben weitere Untersuchungen Chapela recht gegeben. Auch in der Kontroverse um Versuche mit Schneeglöckchen-Lektinen in Gentechnik-Kartoffeln von Arpad Pusztai, die 1999 zu einem gewaltigen Skandal führten, war er nicht ganz unbeteiligt. Schließlich hatte er gerade diese Lektine zum Schutz gegen Schädlinge in Reis übertragen. Auch wenn Pusztai seinen job verlor, blieben weitere Versuche mit den problematischen Lektinen aus.
Doch für all diese Spekulationen ist es, wie die Erfahrung lehrt, noch viel zu früh. Gut möglich, dass das ganze Projekt, nachdem es ausführliche Ehrenrunden in der Presse gedreht hat, wieder völlig von der Tagesordnung verschwindet: Gut 95 Prozent aller derartigen Gentechnik-Durchbrüche war bisher dieses Schicksal beschieden. Denkbar wäre freilich auch, dass den Forschern um Prof. Christou tatsächlich ein funktionierendes Meisterstück gelungen ist, das echte und ernsthaft zu führende Fragen aufwirft. Bevor dies zu klären sein wird, dürfen wir uns allerdings zunächst einmal auf die üblichen Schlammschlachten freuen: Wer gegen Gentechnik ist, versündigt sich an afrikanischen Kindern. Der eingangs zitierte Abstract läßt diese Früh-Verwertung bereits erahnen.