vonKarim El-Gawhary 09.07.2010

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„André Marty berichtet. Nicht mehr“

ist der letzte Eintrag auf dem Blog meines Kollegen vom Schweizer Fernsehen betitelt. André Marty hat nach sechs Jahren als Nahost-Korrespondent seine Koffer gepackt und geht zurück in die Schweiz. Er hatte in seiner Arbeit immer das getan, was von einem Korrespondenten professionell erwartet werden sollte: Er hat kritisch von seinem Standort berichtet. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber wenn dieser Ort “Israel” heißt und wenn man, wie André, sich nicht von einer PR-Maschine überrollen läßt, dann gerät man schnell in das Kreuzfeuer der Kritik jener, die glauben, dass sich kritische Berichterstattung über Israel nicht ziemt. Ein Umstand der paradoxerweise nicht selten dazu führt, dass israelische Medien kritischer über ihr Land berichten, als das die deutschsprachigen Medien im Ausland wagen.

Natürlich ist André nicht abgegangen, ohne noch ganz am Ende eine weitere kleine Kontroverse auszulösen. Im letzten Blog-Eintrag outete er einen seiner heftigsten Kritiker, den Basler Theologieprofessor Ekkehard Stegemann. Dieser hatte André kürzlich per Mail nahegelegt, sich in den Iran oder die Türkei versetzen zu lassen. «Da können Sie für Ihre Seelenlage gute Unterstützung, geradezu Therapie finden und womöglich ein Boot, mit dem Sie Gaza befreien können», frotzelte Stegemann.  Die Angelegenheit fand auch in der Schweizer Presse ihren Niederschlag. Andrés kurzer Kommentar:  «Sagenhaft, auf welchem Niveau sich ein Ordinarius der Universität Basel bewegt, gell?»

Andrés harte Arbeit, seine Hartnäckigkeit und seine Courage, auch kontroversen Themen nicht auszuweichen, hat sich am Ende gelohnt. Sein Blog wurde für den Grimme Online Reward 2010 nomminiert.

Der Nominierungstext lautet: “Brücken bauen, Verständnis schaffen, Informieren, Finger drauf halten”: André Marty gewährt dem Nutzer eine andere Perspektive auf den Nahen Osten. Der Korrespondent des Schweizer Fernsehens bricht in seinem privaten Blog die übliche Israel-Berichterstattung auf, bietet Einblicke in den Alltag, beleuchtet politische Ereignisse von einer anderen Seite oder präsentiert einfach nur unterhaltsame Netz-Fundstücke. So bekommt der Nutzer ein deutlich umfassenderes und persönlicheres Bild von Israel als es Fernsehen, Hörfunk oder Zeitungen vermitteln können.

Zum Abschied habe ich ihm einen Brief geschickt:

Lieber André,

das ist eine sehr traurige Nachricht. Du warst einer der Hauptgründe, warum ich selbst mit meinem Arabesken-Blog angefangen habe. Dein multimedialer kritischer Blog war mir ein großes Vorbild. Da war ein anderer deutschsprachiger Journalist, der sich der neuen Medien bedient und dort über Dinge schreibt, die es nicht in die Schlagzeilen geschafft haben und es waren keine Tagebuch ähnliche „Briefe aus ..“, sondern sehr anregende Fundstücke, die auf deinem Blog zu finden waren. Dinge, die aufregen, nachdenklich machen und Beiträge, bei denen man sich oft fragte, warum es diese Themen nicht in die traditionellen Medien geschafft haben. Es lag sicherlich nicht daran, dass sie nicht interessant genug waren.

Es gibt wohl wenige andere Themen, die so sehr polarisieren, wie der Nahe Osten. Um dort als kritischer Journalist zu arbeiten, muss man sich eine sehr dicke Haut zulegen. Es ist schwer, dabei die eigene Balance zu wahren, zwischen einer zu dicken Haut, die einen abstumpfen und manchmal auch zynisch werden lässt, und einer zu dünnen Haut mit der man sich manchmal depressiv und machtlos fühlt.

Eine Pause, etwas Neues, Anderes? Wie immer es ausgeht, ich bin sicher: als kritischer, kreativer, mutiger und streitbarer Kollege, wirst du uns nicht verloren gehen.

Viele Grüße aus Kairo

Karim El-Gawhary

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