vonSchröder & Kalender 07.09.2006

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

Da Daniel Erk vom Hitler-Blog offensichtlich gegenwärtig nicht online ist, hier eine Meldung zu einer Aktion, die uns aus München erreichte:

Wir haben nicht nur den Papst gesehen

Heute Morgen um 11 Uhr versuchten die beiden Aktionskünstler Georg Ledig und Wolfram Kastner vom Alten Rathaus der bayerischen Landeshauptstadt aus durch die Innenstadt zu gehen. Beide sahen zwei Persönlichkeiten der Weltgeschichte ähnlich. Ledig war in einen dunklen Anzug gewandet, besaß eine schwarze nicht zu bändigende Tolle, die ihm in die Stirn fiel und hatte unter der Nase eine schwarze Rotzbremse, ein kleines Bärtchen, angebracht. Die Ähnlichkeit war nicht zwingend, aber naheliegend. Ledig blickte ernst, wie man es von einem Weltpolitiker verlangt, in die Runde und verbreitete damit eine Anmutung, die durchaus Distanz gebot; niemand fühlte sich so recht motiviert, mit diesem Herrn zu sprechen.

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Ganz anders Kastner. In seinem weißen, langen Ornat und mit dem kleinen weißen Käppchen auf dem ehrwürdigen Haupt schien er längst vergangenen Zeiten entstiegen. Ganz offenbar stand hier ein katholischer Kirchenfürst, der mit seinen gütigen Augen die Passanten freundlich anblickte und mit immer wieder ausholend einladender Geste signalisierte, ich bin bei euch, wer glaubt, ist nie allein.

Einige der zahlreich anwesenden Touristen, die den Ort wegen des vom Rathausturm klingenden Glockenspiels frequentiert hatten, waren erfreut, den Papst schon jetzt zu sehen. Vor allem aber japanische Gäste nahmen mit Vergnügen die Gelegenheit wahr, den Papst zu fotografieren. Er wird die Diavorträge in ihrer Heimat bereichern.

Ledig und Kastner wollten mit ihrer Aktion auf ein oft und immer wieder angesprochenes Anliegen aufmerksam machen. Was sich die Deutschen immer noch bieten lassen, käme für selbstbewusste Franzosen oder Italiener niemals in Frage: Die Verschwisterung von Kirche und Staat. Ledig und Kastner fordern Trennung von Kirche und Staat. Und dazu hatten sie ein Flugblatt verfasst.

In diesem wiesen sie im besonderen darauf hin, dass es 1933 zwischen den Nazistaat und der katholischen Kirche zu einem bis heute gültigen Reichskonkordat kam, in dem der Staat der Kirche zahlreiche Rechte einräumte. Dass die Kirche nicht zuletzt deshalb dem Nazistaat wohlwollend zur Seite stand, ist verständlich.

Noch bevor sich der Spaziergang der beiden Herren in Bewegung setzen konnte, wurde ein dritter Beteiligter, der dieses Flugblatt verteilen wollte, von Staatsorganen rüde zu Boden geworfen, seine Flugblätter wurden beschlagnahmt, er verhaftet und in Handschellen abgeführt. Die Verteilung des Flugblattes wurde amtlich untersagt.

Nach längerem Hin und Her und Diskussionen mit Behördenvertretern konnten sich Herr Ledig und Herr Kastner endlich in Bewegung setzen. Ihr Weg führte die Dienerstraße hinunter. An der Ecke Diener- und Schrammerstraße versuchte wiederum ein inzwischen vierter Beteiligter die noch unentdeckten Reste des Flugblattes an einige wenige Passanten zu verteilen. Auch hier erfolgte stante pede eine Beschlagnahme und Verhaftung.

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Ein zufällig vorbei kommender älterer Passant rief laut: „Wegen solcher Dinge bin ich aus der DDR abgehauen, wegen Bevormundung, Polizeiwillkür, Zensur und Spitzelei. Aber hier ist es ganz genauso. Um keinen Deut besser!“ Der Passant ging schimpfend seines Wegs. In der Gruppe um Ledig und Kastner schienen sich mehr Staatsdiener zu befinden als „Bevölkerung“. Einer von ihnen gab ununterbrochen den momentanen Standort der Gruppe an die „Zentrale“ weiter. Nichts geschah, ohne dass es sofort registriert wurde.

Der Zug marschierte nun gemessenen Schritts in das Polizeipräsidium in der Ettstraße. Herr Ledig sah ernst in die Runde, Herr Kastner grüßte freundlich. Auf dem Weg ins Präsidium zeigten sie sich gegenseitig Sehenswürdigkeiten der Residenzstadt, so mit Blick in die Pacellistraße das Erzbischöfliche Ordinariat oder die sich am Promenadeplatz befindliche Deutsche Bank. Die die beiden Herren begleitenden Polizeikräfte passten ihr Schritttempo an.

Leider wurde der Zutritt zum Polizeipräsidium nur zwei den Zug begleitenden Journalisten erlaubt. Herr Ledig und Herr Kastner hätten es begrüßt, dass, wenn sie den polizeieigenen Paternoster nach oben fahren, wie sie zu wünschen bekundeten, ein Fotograf diesen historischen Moment für die Nachwelt festhält.

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Noch wissen wir nicht, was die zur Zeit laufenden Gespräche auf höchster Ebene ergeben. Zu welchen Ergebnissen werden Herr Ledig, Herr Kastner und die leitenden Beamten im Polizeipräsidium kommen?

6. Dezember 2006, 15.28 Uhr
Günther Gerstenberg

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Das Flugblatt ›Trennung von Kirche und Staat!‹ kann man bei Wolfram P. Kastner, Institut für Kunst und Forschung, Schellingstr. 117, 80797 München anfordern.

(GG / BK / JS)

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