Was’n Glück, …
dass Alles, wirklich Alles, irgendwann ein Ende hat. Auch – und das ist die tröstliche Nachricht an all Jene, die jetzt gerade (noch) darunter leiden – die Wut und der Schmerz eines von Partner oder Partnerin verlassenen Menschen!
Als der Mann, mit dem ich drei gemeinsame Kinder und beinahe dreißig Jahre zusammen gelebt habe, mir Ende 2006 mitteilte, dass er an der Seite einer anderen Frau „ein neues Leben beginnen“ werde, hatte ich in den ersten Tagen und Wochen nach seinem Auszug das Gefühl, damit wäre mein Leben nun zuende.
Heute, beinahe dreißig Monate später, denke ich, dass mir gar nichts Besseres passieren konnte… Das ist doch eine geradezu revolutionäre Wendung, nicht wahr?
Statt meine Energie noch länger mit Groll darüber zu verplempern, dass mein Ex so lange gezögert hat, mir die Wahrheit zu sagen, bin ich nur noch dankbar dafür, dass er es schließlich doch noch tat. Und mir damit die Gelegenheit verschafft hat, an Kraft, Selbstvertrauen und Zuversicht zu gewinnen und meinerseits ein neues Leben zu beginnen, das so viel lebendiger und aufregender ist, als das „alte“ an seiner Seite.
Denn obwohl ich schon lange nicht mehr zufrieden oder gar glücklich mit ihm war, hätte ich diese Ehe wohl nie beendet. Ich hätte mich weiter an die Hoffnung geklammert, dass er sich eines schönen, fernen Tages endlich die Zeit nehmen würde, an unserer Beziehung zu arbeiten. Statt die Tatsache zu akzeptieren, dass wir nur noch nebeneinander herlebten, redete ich mir ein, er habe sich nur deshalb so weit von seiner Familie und von mir entfernt, weil das Karrieremachen eben seinen 100%igen Einsatz erforderte.
Ich fühlte mich wie in einer Warteschleife gefangen, aber allein schon darüber nachzudenken, wie ich diesen frustrierenden Zustand beenden könnte (z.B. durch ultimative Forderungen, in letzter Konsequenz durch Trennung), wäre mir wie Verrat vorgekommen, an ihm – er arbeitete doch nur unseretwegen so hart! – und ebenso an meinen eigenen Idealvorstellungen.
Heute kann ich mich ohne jede Spur von Bitterkeit an die schönen Zeiten erinnern, die wir miteinander gehabt haben; ich schaue mir wieder gern die alten Fotos von diesen beiden gutaussehenden jungen Menschen an, die einander mit Anfang Zwanzig begegneten und in den darauffolgenden zehn Jahren drei wunderschöne und begabte Kinder in die Welt setzten. Jetzt bin ich nicht nur dankbar dafür, dass er mich verlassen hat, als die heißen Gefühle der ersten ein, zwei Jahrzehnte längst erloschen waren, sondern ich bin auch dankbar für viele andere Dinge, die er für mich tat, als er mich noch liebte.
Oder als zumindest dachte, dass er mich liebt. Wenn ich tief in mein Herz sehe, bin ich nicht sicher, ob er mich wirklich geliebt hat – oder ob ich ihn jemals wirklich geliebt habe.
Heute, mit dem bisschen Weisheit, das ich an einigen interessanten Kurven meines Lebensweges einsammeln konnte, ist mir klar, dass ich weit weniger über die Liebe weiß, als ich in jungen Jahren darüber zu wissen glaubte.
Die einzigen Menschen, bei denen ich vollkommen sicher bin, dass ihnen meine ganze Liebe gehört, sind meine Kinder – aber das ist wahrscheinlich so eine Art Urinstinkt. Wenn die eigene Kindheit und die Schwangerschaft einigermaßen „normal“ verlaufen sind, kann eine Frau vermutlich gar nicht anders, als ein in ihrem Leib herangewachsenes und von ihr geborenes Menschenwesen bedingungslos und bis zu ihrem letzten Atemzug zu lieben.
Doch den Vater meiner Kinder – habe ich den je geliebt?
In den letzten zehn Jahren vor unserer Trennung, soviel steht fest, habe ich nur noch das Bild geliebt, das ich von ihm angefertigt hatte. Jenes Image des verantwortungsvollen, aufrichtigen Mannes, dieses geraden, klaren Typs mit Herz und Humor. War er das überhaupt jemals? Oder war das nur eine Seite seines Wesens, die später von ganz anderen Charakterzügen verdrängt wurde, die ich nie wahrgenommen habe bzw. nicht wahrnehmen wollte?
War das, was ich vor dreißig Jahren für „Liebe auf den ersten Blick“ hielt, womöglich einfach ein Fall von assortativer Paarung – bin ich als junge Frau bloß deshalb so auf ihn abgefahren, weil mein biologisches Programm bei der Stufe „Reproduktion“ angekommen und er – wie unsere Kinder beweisen – das genetisch perfekt passende Männchen war? Konnte ich ihn vielleicht damals einfach nur besonders gut riechen?
Genau wissen werde ich das wahrscheinlich nie, aber im Grunde ist es auch nicht sonderlich wichtig. Es ist, wie es ist – und wenn ich mir unseren gemeinsamen Nachwuchs so anschaue, denke ich: „Und das ist auch gut so!“
Inzwischen spielt das Thema Reproduktion für mich persönlich längst keine Rolle mehr; vielleicht konnte ich mich ja auch deshalb so gut mit der wachsenden Distanz zwischen uns abfinden.
Mehr als irgendwann eine (nur zeitweilige!) Betreuung eventueller Enkelkinder würde ich jedenfalls nicht mehr leisten wollen. Momentan genieße ich es gerade ungemein, für keinen anderen Menschen sorgen, einkaufen, putzen, waschen zu müssen, nur noch für mich selbst. Ein wundervolles Gefühl!
Obwohl der Mann, den ich für den „Mann meines Lebens“ hielt und so sehr geliebt habe (oder so sehr zu lieben glaubte), jetzt aus meinem Leben verschwunden ist, fühle ich mich – von meinen Kindern, von denen immer mehr zurück kommt, je älter sie werden, von anderen Familienmitgliedern, von Freundinnen und Freunden – heute viel mehr geliebt als während der letzten Jahre als verheiratete Frau.
Ich weiß nicht, ob es noch einmal einen Mann in meinem Leben geben wird.
Ich weiß nur eines: es wird nie wieder einen Mann geben, der zum wichtigsten Menschen in meinem Leben werden wird. Dieser wichtigste Mensch bin von nun an – bis zum Ende – ich selbst.
Am Ende dieses „Trennungs-Tagebuchs“ möchte ich hier die letzten Sätze des meiner Meinung nach (speziell für Frauen jedes Alters) sehr lesenswerten Erstlingsromans der jungen schwedischen Autorin Maria Sveland zitieren:
Lebe ich das Leben, das ich leben will?
Ich werde nie wieder um Entschuldigung bitten, weil ich meine Seele besitzen will und mein Leben.
Es fängt jetzt an. Ein Ende ist nicht in Sicht.